Polizist zu sein, ist eine wirklich begehrenswerte Berufung. Es ist sinnvoll und lohnenswert, Kriminalität zu bekämpfen und für andere Menschen da zu sein. Doch diese gern gezeigte Welt auf tollen Hochglanzpolizeikalendern- und Plakaten, mit jungen gutaussehenden Polizistinnen und durchtrainierten Polizeibeamten, hat auch ihre Schattenseiten.

Das wird man doch einmal sagen dürfen.

.

Die Gewerkschaft der Polizei in NRW weiß, was sich gehört: sie fordert eine Aufklärung über die vielen Selbsttötungen von Polizeibeamten. Allein in den letzten fünf Jahren nahmen sich in diesem Bundesland 41, seit 1990 sage und schreibe 230 Polizisten das Leben. Ein beträchtlicher Teil davon mit der eigenen Dienstwaffe.  Laut Führungsspitze der GdP in NRW sind davon viele ungeklärte Fälle, die einen beruflichen Zusammenhang über die Motivlage im Dunkeln belassen.

Aber auch in Brandenburg töteten sich im Jahr der sog. „Polizeistrukturreform“ acht, im Jahr 2015 bisher zwei Kollegen. Nachdem bekannt wurde, dass auch die Sterblichkeitsrate bei brandenburger Polizisten deutlich über dem der Bevölkerung liegt, räumt auch das Innenministerium in Baden-Württemberg (Suizide: vier bis neun Fälle/Jahr) ein, das auch die Selbsttötungsrate der Polizeibeamten wesentlich höher, als gegenüber der Normalbevölkerung, angesiedelt ist.

Üblicherweise werden durch die Arbeitgeber als Motive Gründe im „privaten Bereich“ benannt, wenn dann doch einmal ein Fall öffentlichkeitswirksam wird.  Da es beispielsweise in Brandenburg „offiziell“ so gut wie kein Mobbing gibt, ist mir auch kein Fall bekannt, indem es -offiziell- „berufliche Gründe“ für die Auslöschung des eigenen Lebens gegeben hätte. Jedenfalls offiziell. So auch in NRW: als Motive gab das Innenministerium 24-mal „privat“ – und nur einmal „dienstlich“ an.

Wer’s glaubt wird selig,, (anbei Beispiele).

Da beklagt sich die Mutter einer Polizistin in „Deutsche Polizei“, Ausgabe Brandenburg, Juli/2014 mit der Überschrift: „Gedanken zum Suizid von zwei Polizisten“, dass sich ihre Tochter mit der Dienstwaffe getötet habe. Sie schreibt von mangelnder Anerkennung und geringen Beförderungschancen. Es werde gespart auf Kosten der unteren Dienstränge. Beispielsweise wurde ihre Tochter 22 Jahre nicht befördert. Jetzt liegt eine Schleife des Polizeipräsidenten auf dem Grab. Wäre sie doch lieber einmal zu Lebzeiten gelobt worden. Ihre Mutter beschreibt, dass sich fünf Tage nach dem Tod keiner von der Dienststelle bei ihr gemeldet habe und dass es ein Kampf mit den Behörden gewesen wäre.

Zitat: „Kollegen sagen zum Aufstieg und Ausstieg von  Herrn Feuring [Ex-Staatssekretär im Innenministerium], da bekommt er mindestens zwei Gehaltsstufen mehr! – Ist das wahr? Und das Geld für Witwen und Waisen? Mit dem letzten Versorgungsgesetz des Landes Brandenburg um weitere fünf bzw. zehn Prozent gekürzt.“ Zitat Ende, Quelle: Leserzuschrift, „Deutsche Polizei“ Juli/2015, Ausgabe BB, S. 5 (Zu Ex-Staatssekretär Feuring: „Manipulationsvorwürfe bei der Kriminalstatistik und womöglich einseitige Ermittlungen im Maskenmann-Fall führten zu seiner Versetzung ins Umweltministerium.“ Quelle: hier)

Polizeipräsident Mörke sagte: „Wir müssen die Zufriedenheit der Mitarbeiter verbessern und die vorhandenen Imageprobleme der Polizei in den Griff bekommen.“ Außerdem wolle er für mehr Offenheit und Transparenz sorgen.

Was ich immer wieder von Kollegen wahrnehme: das Vertrauen vieler Polizeibeamter in diese Polizeiführung muss grundlegend neu aufgebaut werden. Dann sinken auch Mobbingraten, die m.E. eh offiziell unter den Tisch gekehrt werden, ein erschreckend hoher Krankenstand und Suizidraten.

Der Landesbezirk der GdP in NRW geht das Problem, einschließlich Mobbing, durch die dortige Gewerkschaftsführung, gegenüber dem Dienstherrn, offensiver an. Diese moniert eine „erschreckend hohe Zahl ungeklärter Suizide. Wir müssen die Hintergründe unbedingt aufklären, um zu erkennen, ob es berufliche Gründe gibt„, äußert der dortige Vorsitzende Arnold Plickert.

5988752_s

„Welt.de-online“ vom 28.06.2015 fragt in diesem Zusammenhang, ob Mobbing, Ausgrenzung und Schikanen im dienstlichen Alltag eine Rolle spielen? Wenn man üblicherweise Mobbing u.a. psychische Gewalttätigkeiten verschweigt und unter den Teppich kehrt, den Opfern alle Schuld am Konflikt in die Schuhe schiebt, gewiss – möchte man meinen. Siehe auch hier. Was natürlich keinesfalls ein Grund sein sollte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Die Dunkel- und Grauzone bei den Motiven scheint jedenfalls außerordentlich groß zu sein, meistens dürften gleich mehrere Gründe vorliegen, wenn Menschen beschließen ihr eigenes Leben zu beenden. Da darf der Arbeitgeber bei der Motivermittlung kein No-Go darstellen.

Suizidprävention beinhaltet für mich eine notwendige Fehlerkultur in der Polizei, die Möglichkeit sich angstfrei mitteilen zu dürfen. Fehlerkultur wäre: Mobbingfälle nicht zu vertuschen und laienhafte sog. „Mobbingbeauftragte“ einzusetzen, die nicht in der eigenen Dienststelle, im Dienstregime eingebunden sind und dem weisungsbefugten Dienststellenleiter unterstehen.  Die Brandenburger sog. „Mobbingbeauftragten“ sind nicht unabhängig, auch wenn Behörden das gebetsmühlenartig immer wieder behaupten. Die Praxis beweist genau das Gegenteil. Eine Beschönigungs- und Schönschreibekultur ist das Gift, das Menschen untereinander entfremdet, gegeneinander aufbringt, sowie echte Teamarbeit verhindert. Verschweigen von Mobbing, geschönte oder Null-Statistiken, und keine offiziellen Zahlen in einigen Bundesländern zu Suiziden von Polizeibeamten, das ist auch ein Stück real vorhandene „Leitungskultur“. Wobei „Kultur“ ja wohl ein Euphemismus (Beschönigung) ist.

Auch Berlin (vier bis sechs Suizide/Jahr) ist man mehrere Schritte weiter als im idyllischen Brandenburg. Dort hat man nach dem Suizid einer Kollegin die antiquierte sog. „Mobbingvereinbarung“ dorthin befördert, wo diese hingehört: in den Schredder. Stattdessen wurde ein modernes Konfliktmanagement erarbeitet. Ich konnte mich bei einem Besuch in Berlin, bei den dortigen ausgegliederten(!) Mitarbeitern persönlich von deren guter Arbeit überzeugen. Der dortigen „Konfliktkommission“ steht eine erfahrene Psychologin vor, außerdem arbeiten zwei sehr gut ausgebildete (anderes Bildungsniveau als in Brandenburg) Mediatoren der Polizei, die noch über einen Pool an ehrenamtlichen Polizeibeamten, zur Unterstützung, verfügen. Diese externe Dienstabteilung ist ausschließlich dem Berliner Polizei-Präsidenten unterstellt.

Was alles möglich ist, ein guter Wille vorausgesetzt.

Steffen Meltzer, Autor und Herausgeber von Schlussakkord Deutschland: Wie die Politik unsere Sicherheit gefährdet und die Polizei im Stich lässt

Landtag Brandenburg

6. Wahlperiode

 

Drucksache 6/2293

Antwort

der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 880 des Abgeordneten Björn Lakenmacher, CDU-Fraktion, Drucksache 6/2064

.

Ungeklärte Suizide von Polizeibeamten

.

Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 880 vom 16.07.2015:

Immer wieder kommt es zu Suiziden im Bereich von Polizeibeamten. Meist töten sie sich mit der eigenen Dienstwaffe. Die Motive werden unterteilt in „privat“, „dienstlich“ und „unbekannt“. Die meisten Fälle gibt es in dem Bereich „Motiv unbekannt“ und die Gründe bleiben ungeklärt.

1. Wie viele Fälle von Suiziden Brandenburger Polizeibeamte gab es in den letzten

Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1: Wie viele Fälle von Suiziden Brandenburger Polizeibeamte gab es in den letzten fünf Jahren?

zu Frage 1: Für die Jahre bis 2013 wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 3272, Landtagsdrucksache 5/8343, verwiesen. Nach hier vorliegenden Erkenntnissen gab es unter den Bediensteten der Brandenburger Polizei im Jahr 2014 einen Suizid und im Jahr 2015 zwei Suizide (Stand 30. Juni 2015).

Frage 2: Welche Motive wurden als Suizidgrund angegeben? (Bitte Auflistung nach Motiv und der Häufigkeit)

zu Frage 2: Nicht jeder Suizident hinterlässt Informationen zu seinen Motiven. Inso-fern ist die Frage hiernach häufig dem Bereich der Spekulation zuzuordnen. Daran beteiligt sich die Landesregierung nicht. Abgesehen davon, wäre aufgrund der geringen Zahlen unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, eine Bekanntgabe ohnehin nicht zulässig.

Frage 3: Welche Risikogruppen gibt es bei den Beamten der Brandenburger Polizei?

zu Frage 3: Die Brandenburger Polizei unterteilt ihre Beamtinnen und Beamten weder in Risikogruppen noch legt sie derartige Kategorien fest.

Frage 4: Gibt es polizeispezifische, einer Schweigepflicht unterliegende Hilfsangebote, die Beamte mit suizidalen Gedanken in Anspruch nehmen können?

zu Frage 4: Ja. Hierzu wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 3272, Landtagsdrucksache 5/8343, verwiesen. Ergänzend kann mitgeteilt werden, dass mittlerweile vier Dienstposten für Psychologinnen und Psychologen ausgewiesen und besetzt sind.

Frage 5: Gibt es Maßnahmen der Landesregierung, Hilfsangebote einzurichten?

zu Frage 5: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.

Frage 6: Wie bewertet die Landesregierung das Klima innerhalb der Polizei?

zu Frage 6: Wie das Klima innerhalb einer Organisation wahrgenommen wird, unterliegt der subjektiven Einschätzung jedes einzelnen Bediensteten. Eine generelle Bewertung ist daher nicht möglich.