von Severus Magnos

Atze ist auch so einer. Kennen Sie Atze? Nein? Dann haben Sie echt was verpasst! Der Typ ist ein echtes Vorbild – seit Jahren alimentierter Künstler, eigentlich Bürgergeldempfänger, weil seine „kreativen Jahre“ schon lange im Museum der Vergangenheit verstauben. Sein einziger Kumpel ist ein kleiner Hund, der ihn komplett an der Leine hat. Bei seinem Matze mit den rehbraunen Kulleraugen kann er einfach nicht „Nein!“ sagen, wenn der vor ihm steht und nach Futter bettelt. Dann denkt er sofort an sich selbst und daran, wie er sich beim Amt verhalten muss, um ein paar Euro mehr aus dem bürokratischen Labyrinth rauszuwursteln. Mit dem Schwanz wedeln wie sein Hund kann er zwar nicht, aber er hat schnell gelernt, wie er seine „straßenköterblonde“ Sachbearbeiterin mit viel Gestöhne, Gejaule und Gejammer – inklusive treuem Dackelblick – ein bisschen um die Pfote wickeln kann. Und zwar so lange, bis sie kurz vor den Tränen steht und das behördliche Sparschwein über einen Sonderfonds in diesem Ausnahmefall öffnet. Ja, ja, unser Künstler der verlorenen Zeit! Wenn’s drauf ankommt, kann er’s immer noch. Gelernt ist gelernt!

Immer auf der richtigen Seite 

Neulich kam in den ARD-Nachrichten so eine Geschichte von den armen jungen, aber kräftigen Männern aus Afrika, die man auf den letzten Drücker gerettet hat – nur um sie dann gleich samt Eltern, Onkeln, Tanten und dem ganzen Verwandtschafts-Karussell nach Deutschland einzufliegen. Man staunt jedes Mal, wie groß deren Familien sind. Atze ist total begeistert! Jawohl, die müssten viel besser versorgt werden! Und überhaupt, was sich dieser Staat erlaubt, lässt die armen Kerle hierzulande vor sich hinvegetieren! Das ist doch voll institutionell und materiell rassistisch, denkt sich der schlaue Atze und postet das gleich in die sozialen Netzwerke. Natürlich nur auf Seiten, wo man unter sich ist. Was keiner weiß: Atze hat noch einen anonymen Account für den bitterbösen Elon-Mask-X, zwei für Facebook und drei für YouTube. Dort pöbelt er drauflos, was das Zeug hält, nur um in den von ihm provozierten Antworten nach „voll Nazis“ und „Rassisten“ zu angeln. Das gemeine Ziel? Die Accounts und deren Nutzer bei den dankbaren Meldestellen zu verzinken. Das verschafft Atze eine große innere Befriedigung für sein ansonsten, wenn wir ehrlich sind, ziemlich trostloses und leeres Leben. Und als Sahnehäubchen gibt’s noch jede Menge Anerkennung in den Antwortschreiben der Meldestellen obendrauf. Man vermutet, dass es, ähnlich wie beim Anzeigenmeister, interne Ranglisten von Meldern gibt, die am meisten gemeldet haben – da lacht das Meldeherz! Im Laufe der Jahre ist diese Beschäftigung für unseren Umtriebigen zu einer Art lebenserhaltender Maßnahme geworden. Ohne Meldungen – keine eigene Lebensenergie! Das ist, als würde jemand einen Luftballon aufblasen oder die Luft wieder herauslassen. Deshalb findet Atze es so supitoll, dass ab sofort auch Meinungen und Ansichten „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ gemeldet werden dürfen. Ich korrigiere: gemeldet werden müssen!

Das ist für Atze die erste Bürgerpflicht, die unter allen Umständen in den verschiedenen Gefahrenlagen stramm und aufopferungsvoll durchgeführt werden muss.

Nun ja, so ganz einsam und verlassen mit seinem Matze ist Atze nicht. Denn er hat einen Anlaufpunkt. Auch ein großer Lebenskünstler benötigt ab und an einen nachhaltigen intellektuellen Input. Den findet er in der Stadt. Es handelt sich um einen heruntergekommenen Bau, dessen Besitzverhältnisse seit 35 Jahren ungeklärt sind. Die Verwaltung belässt es großzügig dabei und schießt jedes Jahr, trotz des nahenden Bankrotts, einige zehntausende Euro zu, die dann schnell von vielfältigen Projekten aufgesogen werden. Neulich gab es eine Veranstaltung: „Schutz vor sexuellen Übergriffen für weibliche Klapperschlangen“. Es wurden allein dafür 7321,59 Euro verbucht. Keiner hat jemals gemerkt, dass es diese Art Betroffenheit in Deutschland, außer in diversen zoologischen Einrichtungen und bei einigen Reptilienfreunden, gar nicht gibt. Ja, auch dort ist unser Held sehr präsent und aktiv. Im Stuhlkreis machen sich die Alternativen mit Lebensweisheiten Mut und versichern sich gegenseitig, für eine wirklich sehr gute Sache in Treu und Glauben zu dienen. Fast wie die Mitarbeitenden in einer richtigen Sekte!

Keiner der innovativen Zeitgenossen geht einem bürgerlichen Job nach oder hätte das jemals getan. Das Studium der Straße muss reichen. Sie fühlen sich als Avantgarde und Berufsaktivisten, deren innere Eingebung die Umerziehung der Menschheit ist. Darunter machen sie es nicht.

Abends in der Runde, nach einem gemeinsamen anstrengenden Tag, geht es auf die am Boden liegenden Matratzen. Es wird anfänglich ein Joint geraucht, manche inhalieren auch psychedelische Pilze. Aber auch in diesen vornehmen Kreisen wird mit der Zeit gegangen. „Hast du noch ne Linie Koks für mich übrig?“ Früher gab es so etwas nicht. Da waren Atze und Genossen noch arm. Da schnupperten einige höchstens an ihren seit drei Wochen getragenen, ungewaschenen und stinkenden Socken. Aber diese jämmerlichen Zustände sind zum Glück vorbei. Die großzügigen Unterstützungen machen es möglich. Mitunter auch über künstlerisch-kreative Kanäle, die keinem verraten werden.

Vergesst mir die Rekognoszierung nicht! 

Wobei, liebe Leser, ich muss ehrlich sein: Nicht alle Kameraden sitzen abends nur halluzinierend oder saufend herum. Manche gehen nachts auf Hausbesuche – bewaffnet mit einer Liste unliebsamer Stadtbewohner und dem unerschütterlichen Glauben, die Welt ein bisschen bunter zu machen. Heute steht ein CDU-Abgeordnetenbüro auf dem Programm. Erst wird’s farbenfroh angemalt, dann gibt’s eine künstlerische Kot-Performance, und zum krönenden Abschluss ein paar verbotene Nazisymbole obendrauf. Der Clou: Das Ganze wird mangels Täterermittlung als „Politisch motivierte Kriminalität rechts“ (PMK-rechts) in der Statistik erfasst – clever, oder? Personen und Objekte der Begierde wurden tagelang ausgekundschaftet – echte Kundschafter für den Frieden!

Früh, gegen 04:00 Uhr, geht’s dann mit Fiffi nach Hause, der noch einmal kurz vor der Haustür sein Bein hebt – schließlich muss auch der kleine Herr zeigen, wer hier das Sagen hat. Physisches und ideelles Markieren ist heutzutage die hohe Kunst der Herrschaft. Ein bisschen Angsterzeugung gehört dazu, das hat das kleine Wollknäuel schnell von seinem Herrchen gelernt. So bleibt der Hausfrieden zwischen Atze und Matze gewahrt. Die Hackordnung ist glasklar: Erster ist der Spitz – kein Witz! – danach kommt der Atze-Künstler. Gut zu Tieren, unversöhnlich zu Feinden. Kannte man schon.

Sie müssen sich anpassen! 

Keine Panik beim Lesen, liebe Leute: Atze ist ein echtes Produkt unserer Gesellschaft. In seinem Viertel gilt er als der Typ, der immer auf der richtigen Seite steht – quasi der Vorzeige-Atze. Der steuerzahlende Nachbar, der kaum Zeit für Aktivismus hat, würde sich niemals mit ihm anlegen. Die Angst davor ist einfach zu groß. Also lieber ein schnelles „Guten Tach“ rüberwerfen, vielleicht ein bisschen Smalltalk – aber bloß keine eigene Meinung, sonst brennt der Familienkombi schneller als man „Feuerwehr“ sagen kann.

Probieren Sie mal, mit zwei Kindern, dem eingepackten Kleiderschrank der Ehefrau und der unpünktlichen Bahn in den Urlaub zu fahren. Vor allem im Sommer bei 31 Grad (ja, der menschengemachte Klimawandel, Sie wissen schon – so was gab’s früher nicht) und dann auch noch mit ausgefallener Klimaanlage im Zug. Da wünscht man sich echt ein gutes Nachbarschaftsverhältnis und fährt lieber wieder mit dem alten Diesel.

Atze? Dem ist das alles sowas von egal. Sein Leben läuft wie geschmiert – dank seiner schuftenden Nachbarschaft und reichhaltigen Zuwendungen. Herrlich!

Atze, Flippi und die ganze ironische Geschichte sind natürlich erfunden. Aber mal ehrlich: Kennen Sie nicht auch so einen Atze? Sind Sie sich wirklich sicher?

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