Autor: Steffen Meltzer

Kabarett Berlin-ganzjährig geöffnet 

Der regierende Bürgermeister von Berlin war bei Markus Lanz zu Gast (ab Minute 30:20). Wem der Name entfallen ist, ich helfe gern nach: Michael Müller, einst gelernter Bürokaufmann und selbstständiger Drucker in Neu-Tempelhof.
Und während ein Großteil der Medien über die Konversation zum beabsichtigten Berliner Mietendeckel berichtete, möchte ich zu einem anderen Problemfeld schreiben, das eine ähnlich unendliche Geschichte wie der Berliner Flughafen werden kann. Der Görlitzer Park.

Müller und der Park, da war doch noch etwas?

Lanz bemühte sich konkret zu werden, denn bei seinem vorangegangenen Besuch im ZDF-Studio hätte Müller gesagt, er müsse die Dealer „endlich von der Straße bekommen“. Wie denn nun der Stand der Dinge sei? Leider kann das der Meister aller Berliner Bürger auch diesmal nicht sagen, da das ein „längerfristiges Projekt“ sei und nun erst einmal der Flughafen eröffnet werden müsse.

Erst der BER dann der Görlitzer Park, beides gemeinsam undenkbar!

Moment mal, der Görlitzer Park ein gleichrangiges Problem wie der BER? Ist der Flughafen in Gefahr oder die Politik überfordert, wenn man sich stattdessen diesem Drogenumschlagplatz zuwendet?

Schauen wir uns doch einmal näher die Gemeinsamkeiten an: Weltbekannt sind beide „Projekte“, der BER etwas eher, aber inzwischen hat der Kreuzberger Park erfolgreich aufgeholt. Im Flughafenneubau wurde eine Menge Geld im Boden versenkt, im Görlitzer Park sind es die versteckte Drogen, die jedoch dort wiedergefunden werden. Beim BER und den Dealern verschwinden Teile des Gewinns in unbekannte dunkle Kanäle. Die Möglichkeit, bei den Straftaten erwischt zu werden, ist trotz aller Bemühungen der Polizei an beiden „Ereignisorten“ als gering einzuschätzen. Nun aber zu einem entscheidenden Unterschied: Währenddessen im BER die Steuermilliarden nur so verschleudert wurden, arbeiten die Dealer wirtschaftlich deutlich effizienter. Die passen wie ein Fuchs auf ihre Kohle auf.

Machen wir weiter mit dem Studiogast, der vom Streichelzoo und dem Kinderbauernhof im Görli ganz angetan ist. Überhaupt sind nur in einer „kleinen Ecke im Park“ die Drogendealer vorzufinden, so der Müller-Sound. Man könne sich im Park und Berlin überall frei bewegen. Auch die Polizei in der Rigaer Straße? Man wird ja mal fragen dürfen, denn die Polizei zieht sich aus diesem Areal immer mehr zurück. Nur in Leipzig ist man noch einen Schritt weiter, dort kontrollieren Demonstranten die Polizei.

Nun gut, da wollen wir mal nicht so kleinlich sein und uns die konkreten Zahlen diesen Jahres zur heiß begehrten Parkanlage genauer betrachten. Was ist alles in dieser kleinen Ecke passiert:

Die Polizei führte bis zum 09. September 2019 264 Einsätze durch. Das ist etwas mehr als ein Polizeieinsatz pro Tag. Mit den zeitaufwendigen Nachbearbeitungen und der Aufbereitung der strafprozessualen Maßnahmen werden hier enorme Personalressourcen gebunden, die an anderen wichtigen Stellen der Berliner Bevölkerung nicht zur Verfügung stehen. Dabei wurden 322 Strafanzeigen erstellt, entweder durch Drogenhandel oder durch „Erwerb und Besitz“ von Betäubungsmitteln. Auch die Polizei geht davon aus, dass es sich bei den „Konsumenten“ um Dealer handelt. Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen, denn trotz des Kontrolldrucks wurden viele Dealer noch nie kontrolliert und die „Kleinstdealer“ bunkern ihre Drogen, um sie vor dem Zugriff der Polizei zu sichern.

Bei den festgestellten Tatverdächtigen handelt es sich vorwiegend um Personen aus Guinea (104), Guinea-Bissao (39) und Gambia (36). Müller zu Lanz: „Wenn die Polizei dort nicht wäre, wüssten wir ja gar nicht, dass dort gedealt wird“. Deshalb mein Vorschlag: Polizei abziehen, Problem beseitigt, bleibt unter uns.

Blutige Revierkämpfe zwischen den afrikanischen Ethnien aus Mali, Guinea, Senegal und Gambia stehen auf der Tagesordnung. Dabei gab es bisher „27 Fällen von schwerer und gefährlicher Körperverletzung. “ Das macht ein Plus zum Vorjahreszeitraum von 50 Prozent. Und das sind nur die bekannten Fälle. Wie hoch das Dunkelfeld im Park sein könnte, darüber können in Berlin mutmaßlich nur Wahrsager und Geistheiler der Öffentlichkeit Auskunft geben.

 

Hannemann geh du voran, ich jedenfalls nicht (mehr) 

Wie hilflos sich die Politik gegenüber dem Problem gibt, zeigt sich an der Reaktion der zuständigen Berliner Bezirksbürgermeisterin, (Friedrichshain-Kreuzberg), Monika Herrmann: „Würde eine Absperrung helfen, das Drogenproblem im Görlitzer Park zu lösen, wäre dies schon passiert. (…). Wenn die 200 Männer dort nicht mehr dealen können, gehen sie einfach nach nebenan.“ Sie hat deshalb Schlussfolgerungen gezogen, zumindest für sich: Sie geht nachts durch keinen Berliner Park. Genau das nennt man einen typischen „sozialen Rückzug“, der das Leben im Alltag einschränkt.

Sollen wir integrativ zukünftig alle zuhause bleiben, wenn uns nicht gerade mal wieder eingeredet wird, Kriminalität wäre sowieso nur ein persönlich sehr subjektives Sicherheitsempfinden, das mit der Realität nichts gemein hätte? So darf Herrmanns Botschaft verstanden werden. In Niedersachsen konnte das jeder Dritte bei einer großangelegten Dunkelfeldstudie nicht behaupten, denn diese wurden tatsächliche Opfer einer Straftat. Einige davon gleich mehrere Male innerhalb eines Jahres.

 

Jetzt kommen die Spezialisten 

Bei so viel Hilflosigkeit kein Wunder, wenn der „Parkrat“ einspringt und versucht das Problem, auf seine Weise mit einer ebenso ungelenken Art zu lösen: Fußballturnier mit Drogendealern und angebotene Dealerzonen durch den Parkmanager, damit man untereinander nicht ganz so oft die Messer zückt. Diese „Maßnahmen“ wiederum empfindet Michael Müller ausdrücklich als „Dummheiten und Quatsch“. Würde mich interessieren: Was denkt der Parkrat über Bürgermeister M.?

 

Rhetorik ist alles, der Inhalt nichts

Weiter geht’s mit Meister Müller, was hat er denn zum Görlitzer Park noch so zum Besten gegeben? Jetzt läuft der Rhetorikprofi zu Höchstform auf. Auf Inhalte kommt es dabei weniger an.

Foto: Marionette

Trick Nummer eins: Relativiere ähnlich bei Statistiken die Kriminalität gebetsmühlenartig.  So gebe es nun einmal in einer Viermillionen-Stadt auch Drogenkriminalität. Man könnte im Park von heute auf morgen durch einen „rigorosen Polizeieinsatz“ eine Situation herstellen, dass dort niemand mehr dealt. Wenn nicht das „aber“ wäre, denn dann wären, so der Primus, diese „Leute fünf Straßen weiter“. Meine sich daraus ergebende Frage, dafür wäre dann wohl in Berlin die Polizei, die Drogenberatung oder die Sozialarbeiter nicht mehr zuständig?

Trick Nummer zwei: Verteile die Verantwortung auf ganz viele verschiedene Institutionen und Schultern. Wer auf andere den Lichtstrahl hält, steht selbst im Dunkeln. Müller: Es müssten dann auch mal alle Einsatz zeigen: die Sozialarbeiter, die Polizei, das Bundesinnenministerium, die Länderminister und, ach ja „auch wir in Berlin. Denn für 90 % der Dealer wären -eigentlich- Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zuständig. Er bekommt die Plagegeister von den dortigen Behörden einfach nicht abgenommen. Denen wäre es ganz recht, wenn die in Berlin bleiben. Dann seine erstaunliche Schlussfolgerung: „So kann man die Polizei nicht allein lassen!“

Ich war beim Zuhören kurz irritiert, da mir bisher unbekannt war, dass für die Berliner Landespolizei selbst in Berlin andere Bundesländer zuständig wären. Aber sei’s drum. Es gibt noch andere Schuldige. Man würde diese Menschen gern abschieben, aber leider nehmen die Ursprungsländer diese Menschen nicht zurück. Verstehe ich nicht, die Flüchtlingsroute ohne Dokumente war doch bestimmt viel gefährlicher als so ein harmloser Rückflug mit Papieren?

Das musste ich mir jetzt einmal etwas genauer anschauen: Berlin hat 2018 1.169 Personen abgeschoben. Senator Geisel will jetzt auch (vielleicht) straffällige Asylbewerber in der Berliner Abschiebehaft unterbringen, was die rot-rot-grüne Koalition in helle Aufregung versetzt hat. „Ein Abgeordneter spricht gar von einem Windhundrennen um das Thema Innere Sicherheit, welches man nicht gewinnen könne.“ Weiße Flagge im Kampf gegen die Kriminalität von „Geflüchteten“? Offensichtlich gibt es substantielle Gründe.

Bitte einmal passend machen.

Trick Nummer drei: Spiele das Problem herunter. Wer kennt nicht die täglichen Sonntagsreden der Politiker, die von sinkender Kriminalität berichten. Weit verbreitet, auch sehr beliebt zum Beispiel beim Potsdamer OB Schubert (SPD). Wenn das so weitergeht, benötigen wir bald weder Polizei noch Justiz. Wehe dem, der da den Finger in die Wunde legt.

Währenddessen Herrmann von 200 Männern spricht, kürzt Müller das Problem um die Hälfte auf rund 100 Problemfälle „die da immer so stehen über den Tag verteilt“. Na bitte, innerhalb weniger Tage das Täterpotential um 50 % verringert. Geht doch, weiter so! Diese „100 Dealer“ wären dann aber gemäß den polizeilichen Angaben für immerhin mindestens 349 (bekannte und öffentlich genannte) Straftaten verantwortlich. Weniger arbeiten mehr, dafür umso intensiver und respektloser.
Der im ZDF-Einspieler interviewte Polizeirat räumt gegenüber Markus Lanz freimütig ein, dass das Drogenmilieu die Polizei nicht mehr „ernst nimmt“. Das zeige sich auch an den körperlichen Auseinandersetzungen auf einem „hohen Niveau“. Wie oft Polizisten bei ihren Einsätzen als „Nazis“ und „Rassisten“ beleidigt werden, wurde ausdrücklich nicht nachgefragt. Es wurde diesbezüglich durch die Polizei auch keine Statistik veröffentlicht.

Trick Nummer vier: Schiebe anderen die Verantwortung in die Schuhe. Müller triumphiert und blüht plötzlich auf, sein Blick hebt sich, der Körper strafft sich, er gestikuliert offensiv. Die Stimmmodulation nimmt einen belehrenden Ton an: Warum stehen da diese Drogendealer? Weil es Käufer gibt! Das sind vor allem die „Partytouristen und Clubnutzer, die dann drei Straßen weiter in ein Nachtlokal gehen.“ Er will es mit Prävention richten und den Leuten sagen, „was sie sich selbst und auch den anderen antun“. Auch Herrmanns Aussage, nicht mehr des Nachts durch Berliner Parks zu gehen, sieht er als „fatales Signal“, wie er an anderer Stelle betont.

Trick Nummer fünf: Zeige „Empathie“ gegenüber den Fleißbienen an der Front. Als Lanz den Polizeibeamten des höheren Dienstes fragt: „Haben Sie das Gefühl, Rückhalt durch die Politik zu haben, zögert der Berliner Bedienstete einen Augenblick, bevor er die Frage „ordnungsgemäß“ bejaht. Aber Haudegen Lanz fiel die sichtbare Denkpause auf, er hakte sofort nach: „Sind Sie sich nicht sicher?“ Der Polizeirat knickte ein und nickt zustimmend aber wortlos.

Fazit: Der Staat kann die innere Sicherheit nicht mehr gewährleisten, die Probleme sind selbst verursacht und damit hausgemacht. Gut dem, der das nicht verdrängt und vorbereitet ist.

Eine abschließende Episode: Markus Lanz im Sendestudio zu Michael Müller: Tut Ihnen die Polizei leid? Der regierende Bürgermeister von Berlin antwortet: „Ja!“

Danke, keine weiteren Fragen mehr.

Der Artikel erschien auch auf Tichys Einblick und bei Vera Lengsfeld