Erst kam es zur Tragödie, dann spielte man in Pressekonferenzen der Öffentlichkeit ein ziemliches Theater vor. Auf die Frage eines Journalisten, ob Tiere „erlöst” werden mussten, antwortete der Zoodirektor „Nein“. Wie sich später herausstellte, eine glatte Lüge.

Der Brandkatastrophe in der Silvesternacht im Krefelder Zoo fielen 30 Affen und andere Tiere zum Opfer, darunter Schimpansen, Orang-Utans und seltene Gorillas. Seit dem Brand wurden eine Menge Nebelkerzen gestreut, um die Emotionen der Öffentlichkeit im Zaum zu halten. Tatverdächtige wurden zu Opfern hochstilisiert, die Verantwortlichen des Zoos mit Samthandschuhen angefasst, Informationen geheim gehalten und die Straftat schon nach wenigen Stunden als „aufgeklärt“ wie warme Semmeln angepriesen.

Unbeantwortet blieb die Frage: Haben wir Menschen das moralische Recht, eine genetisch mit uns stark verwandte Spezies, die über Intelligenz, ein ausgeprägtes Sozialverhalten wie zum Beispiel Empathie, Freude oder Trauer verfügen, in Ausstellungs-Einrichtungen einzusperren? Für ein neues Affenhaus werden bereits Gelder gesammelt. Der Mensch als unbelehrbares Wesen, dem es gegenüber seinen Mitgeschöpfen an Mitgefühl fehlt, dafür weniger an Schauspielerei.

Sehen sich erschossene Gorillas und Menschen im Tode ähnlich?

Das große Theater begann bereits mit der ersten Pressekonferenz (PK) kurz nach dem Vorfall. Sie war bereits eine vorsätzliche Lüge. Die zweite PK folgte sobald. Als ich interessiert zusah, glaubte ich meinen Ohren und Augen nicht zu trauen. Die Pressesprecherin der Polizei sei „erleichtert“, bereits 36 Stunden nach der Feuersbrunst die Brandursache und die Verursacher „aufgeklärt“ zu haben.

Schneller, höher, weiter. Mögliche verbleibende Ermittlungsrisiken teilt sie nicht mit, das Ergebnis steht für die resolute erste Polizeihauptkommissarin bereits zu 100 Prozent felsenfest.

Der Leiter eines Krefelder Kriminalkommissariats, Gerhard Hoppman, sprach hingegen davon, dass die Untersuchungen mit den Sachverständigen „noch im Gange“ seien. Man habe einen Brandtrichter auf dem Plexiglas(!)-Dach lokalisiert. Die Affen im Haus wären durch “Brand- oder Rauchgasintoxikation“ ums Leben gekommen. Halbwahrheiten sind auch Unwahrheiten, dazu später mehr.

Dann wird es skurril, der Mordermittler berichtet, dass Affen „brandverendet“ im Tod dem Menschen sehr ähnlich sind. Unausgesprochen gemeint ist hier u. a. die bekannte „Fechterstellung“. Eine etwas wichtigtuerische aber nur triviale Bemerkung, die mutmaßlich der emotionalen Ablenkung dient. Hierzu gehört auch die ausdrückliche Erläuterung der persönlichen „Betroffenheit“, die (eigentlich) bei professionellen Einsatzkräften in den Hintergrund treten muss.

Emotionen führen zur Verneblung der eigenen rationalen Wahrnehmung und können Ermittlungsergebnisse unbeabsichtigt verfälschen. Auch der Oberstaatsanwalt schloss sich eifrig der Bestürzung an und warf emotionslos-hölzern folgenden Satz wörtlich in die Runde: „Die Betroffenheit hat auch die Staatsanwaltschaft betroffen.“ Das war jedoch nicht das Ende der großen Betroffenheitspressekonferenz.

Die vollständige Wahrheit kommt erst spät ans Licht

Erst durch einen Bericht des Innenministeriums an den Innenausschuss des Landtages vom 14. Januar erfahren wir die sachlich wichtigen und tatsächlichen Umstände, über den 00:35 Uhr ausgebrochenen Großbrand:

„Gegen 01:30 Uhr traf die Veterinärmedizinerin des Zoos mit Narkosegewehr am Einsatzort ein. Man ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass kein Tier überlebt habe.“ (…) „Um 06:40 Uhr teilten Mitarbeiter des Zoos mit, einige Tiere könnten den Brand überlebt haben. Man befürchtete den Ausbruch von Tieren aufgrund des Zustands des Gebäudes.“ (…)

„Gegen 08:00 Uhr wurden im Gebäude zwei schwerverletzte Affen aufgefunden. Die Tierärztin konnte ein schwer verletztes Orang-Utan-Weibchen mit einer Überdosis Beruhigungsmittel töten. Ein schwer verletzter männlicher Gorilla musste hingegen um 10:15 Uhr durch einen Polizeibeamten durch mehrere Schüsse getötet werden, da die durch die Tierärztin verabreichte Überdosis an Beruhigungsmitteln hier nicht wirksam war.“

Das Hauptaugenmerk lag demnach auf der Außenabsicherung und der Löschung des Brandes. Im Inneren nach den Tieren zu schauen und Möglichkeiten zu deren zeitnaher Rettung zu schaffen, zeigte der Bericht nicht auf und war demnach nicht beabsichtigt. Vielmehr wollte man einen Ausbruch verhindern. Lebendig gefangen im qualmend-beißenden und glühenden Brandschutt. Lediglich eine Tierärztin war mit einem Narkosegewehr vorhanden, viel zu wenig für so ein Großereignis mit einer solchen Anzahl von Tieren. So kam es dazu, dass sich zwei überlebende Affen und zwei schwerverletzte Tiere in der Brandruine über Stunden furchtbar quälen mussten. Tatsachen, die der Öffentlichkeit bis dahin nicht mitgeteilt wurden.

Stattdessen wird in der PK vom 2. Januar weiter auf die Tränendrüse gedrückt. Diesmal, um für die tatverdächtigen Frauen Mitleid zu erzeugen. Die für den Brand in Frage kommenden drei Frauen hätten einen „sehr vernünftig wirkenden“ und “verantwortungsvollen Eindruck“ auf den Chefermittler der Polizei gemacht. Sie hätten gedacht, zu Silvester wäre es erlaubt gewesen, diese Himmelslaternen steigen zu lassen. Die fünf Leuchten könne man ganz einfach im Internet bestellen, auf der Warenbeschreibung wären keine Verbotszeichen vorhanden gewesen.

Vielsagend stellt Hoppmann an die im Raum versammelten Journalisten die Suggestivfrage, ob „Sie es selbst gewusst hätten, dass die Laternen einem Verbot unterliegen oder nicht“? Das Innenministerium beantwortet die Frage gern zwei Wochen später:

„Sie (Anm.: Beschuldigte) sei der festen Überzeugung gewesen, sie dürfe diese Fackeln an Silvester ohne Genehmigung verwenden. Sie habe aber gewusst, dass man im Übrigen eine Genehmigung benötige.“

Die Tatverdächtige(n) waren also alles andere als ahnungslos, wie durch den Ermittler irreführend kolportiert. Dann beschreibt der Polizeibeamte weiter, die „Personen hätten die Laternen mit guten Wünschen“ abgeschickt, hätten „aber nicht im Entferntesten daran gedacht, was hier dadurch passieren könnte“. Fleißig geht die tugendreiche Entlastung der angepriesenen Brandverursacherinnen weiter. Der Ermittler findet es „sehr couragiert“, sich bei der Polizei zu melden und zu sagen: „Ja, ich glaube wir sind dafür verantwortlich.“ Der Kriminalist findet das „hochanständig“ und das habe seinen Respekt. Ich habe davor jedoch keinen gesonderten Respekt. Wer der Meinung ist, etwas Falsches getan zu haben, muss dafür gerade stehen. Der Ermittler zeigt damit vielmehr unfreiwillig sein eigenes Weltbild auf, kein Wunder bei diesem Beruf.

Plötzlich geht es um „Hass und Hetze“

Nachdem jetzt auch noch die Pressesprecherin der Polizei an das Mitgefühl appelliert, welches wir mit den angezeigten Brandverursachern haben müssen, befürchte ich langsam, dass man anstatt eines neuen Affenhauses, den drei Frauen an dortiger Stelle ein „Denkmal der Anständigen“ setzt.

Die erste zugelassene „Frage“ eines besonders besorgten Journalisten ist dann auch, dass es schon „Drohungen gegen die drei Frauen im Internet geben würde“, ob man die „Hetzjagd“ auf die Frauen unterbinden will? Mir ist bei dieser politisch korrekten Frage nicht ganz klar, wie man anonyme Personen konkret bedrohen kann. Ohne die allseits kommunizierten Bedrohungen ist man heutzutage wahrscheinlich nicht mehr wichtig genug.

Die Tatverdächtigen wurden auf dieser PK, in einer mir nie bekannten Art und Weise geradezu (schein-)heilig gesprochen.

Für mich steht dagegen fest, die 30– bis 60-jährigen Frauen (aus dem Krefelder Stadtgebiet) können nicht „verantwortungsvoll“ gehandelt haben. „Vernünftig“ wäre es dagegen gewesen, damit zu rechnen, dass brennende Himmelslaternen in der Stadt Krefeld an jedem Ort niedergehen, und dabei Häuser, Lagerhallen oder ein Affenhaus in Brand setzen können. Selbst Kleinstkindern bringt man bei, wie gefährlich unkontrollierte Flammen sein können. Alternativ steckt bei einigen Herren noch das althergebrachte Denken dahinter, Frauen wären kleine naive Dummerle, die die Folgen ihres Handelns nicht abschätzen können und deshalb entmündigend beschützt werden sollten.

Diese Vermutung ist alles andere als abwegig, weil man eifrig selektiert, auch was der Öffentlichkeit an Tatsachen „zuzumuten wäre“. Nicht nur, dass Medien gegenüber der Bevölkerung zu einem Erziehungsjournalismus neigen, jetzt fühlen sich manche Polizeidienststellen dazu auch noch „ermächtigt“. Wenn man Vertrauen verspielen will, eine absolut sicher funktionierende Nummer. Der Landtag wird hingegen als „erwachsen“ und „mündig“ betrachtet. Dieser erhält später die vollständigen Informationen, fernab jeglicher lebensfremder Gefühlsduselei.

Diffuse Rolle des Zoos bleibt im Dunkeln

Über die konkreten Sicherheitsvorkehrungen des Krefelder Zoos verrät auch der Bericht des Innenministeriums vorläufig nichts. Denn es geht nicht nur um den Brandschutz des Gebäudes, indem man Primaten u. a. Tiere gefangen hält. Der Feuerwehrchef war auf der PK „erstaunt“, wie fortgeschritten das Affenhaus beim Eintreffen der Feuerwehr (wenige Minuten nach der Alarmierung) bereits lichterloh in Flammen stand. Es war keine Sprinkler- oder Brandmeldeanlage vorhanden. Die Frage eines Journalisten an die Sprecherin des Zoos, ob ein Wachdienst vorhanden war, ergab deren schnippische Antwort, „dass Sie sich selbst überlegen können, was ein Sicherheitsdienst auf einem 14 Hektar-Gelände bewirken kann“.

Wieso zu einer derartigen Risikolage für eingesperrte Tiere wie an Silvester, nur ein Wachdienst für das gesamte Gelände im Einsatz war, fragte zu meiner Überraschung niemand mehr. Wie hoch war die Stärke des Wachdienstes? Gab es in dem großen Gelände vorgeschriebene Streifenbereiche zur Überwachung? Gab es zeitliche Festlegungen welcher Punkt an welchem Ort zu kontrollieren ist? Wird zum Nachweis darüber Buch geführt? Oder oblag das der „Lust und Laune“ des anwesenden Personals? Wurde die Personalstärke zu Silvester um ein Vielfaches erhöht? Niemand fragte danach, Funkstille.

Eine Videoübertragung in die Zentrale des Wachdienstes hatte man auch nicht vorgesehen. Das Affenhaus hätte vielmehr den üblichen Brandschutzbestimmungen entsprochen, so die selbstbewusste Dame des Zoos. Das mag vielleicht beim Bau in den siebziger Jahren so gewesen sein, aber wenn ein Gebäude derartig schnell abbrennt, kann der Brandschutz auf keinen Fall ausreichend sein. Vor einigen Jahren war nach Hagelschäden das Glasdach des Affenhauses gegen Plexiglas ausgetauscht worden. Das bedeutet, das Gebäude wurde brandsicherer errichtet, als es der spätere bauliche Zustand darstellt. Erst dieser Umbau hat den verheerenden Brand ermöglicht! 

Man stelle sich einmal vor, es hätten sich bei einem vergleichbaren Vorfall während der Öffnungszeiten noch zahlreiche Besucher in dem Gebäude aufgehalten. Jede kleine Wohnung benötigt gesetzlich vorgeschriebene Brandmelder aber dieses große Gebäude darf in einem Zustand des letzten Jahrhunderts verbleiben? Das sollte man einmal genauer ermitteln. Die Antwort der Zoosprecherin wirkt auf mich wie bei jemanden, den man an einer empfindlichen Stelle getroffen hat.

Ich nenne es unverantwortlich von dieser Zooleitung, nicht nur das Affenhaus in einer Silvesternacht sich faktisch selbst zu überlassen. Ein Zoo ist ein wertschöpfendes Unternehmen, der Unterhalt darf nicht viel kosten. Die Verantwortlichen und die mit ihnen treu verbundenen Medien müssen sich auch nicht über die zahlreichen „Verschwörungstheorien“ in den sozialen Netzwerken beklagen. Die bisherige „Öffentlichkeitsarbeit“, die durch Unwahrheiten, Halbwahrheiten, das Verschweigen wichtiger Fakten sowie triviale Gefühlsduselei gekennzeichnet ist, leistet dem unfreiwillig Vorschub und untergräbt empfindlich das notwendige Vertrauen in die Funktionsträger.

Auch die Sicherheitslage ist in Deutschland angeblich so hervorragend wie lange nicht mehr. Die Devise: „Es ist noch nie etwas passiert, also muss nichts geändert werden“ ist weit verbreitet und völlig unprofessionell. Ähnlich dem Grünen Gewölbe in Dresden, bei dem man mit einer Absicherung vielleicht Langfinger und Taschendiebe abschreckt, aber nicht professionelle Einbrecher. Der Glaube an die eigene Unfehlbarkeit ist eine Frage der defizitären Persönlichkeitsstruktur von Führungskräften, die mit der Zeit alle internen Kritiker beseitigt haben. Auch Beamte können davon ein Lied singen, das ist nicht nur in Krefeld oder Dresden so.

Mein Artikel erschien zuerst auf Tichys Einblick