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Steffen Meltzer, veröffentlicht in “Deutsche Polizei”,  Landesausgabe BBG u. “Profil K”, Zeitschrift Bund Deutscher Kriminalbeamter, Landesverband BBG 

Ist Empathie die wirksamste Gewaltprävention?

Wie wichtig sind Spiegelneuronen bei der Herausbildung von empathischen Fähigkeiten? Muss das Verhalten von Straftätern im Sinne der Medizin völlig neu bewertet werden? Welche neuen Schlussfolgerungen müssen in juristischer Hinsicht bei der Sanktionierung von Gewaltdelikten Berücksichtigung finden?

Spiegelneuronen wurden erst 1992 durch den italienischen Hirnforscher Giacomo Rizzolatti beschrieben und entdeckt. Anhand von Versuchen an Affen wurde festgestellt, dass Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen (Feld F5c) auch dann aktiv sind, wenn Affen lediglich die Aktivitäten von Artgenossen beobachten. Bei emotional gefärbten Handlungen von Emotionen sind auch Spiegelneuronen beteiligt, die eine wichtige Rolle bei sozialen Verhaltensweisen spielen.

Spiegelneuronen sind wichtig für die Ausbildung von Empathie- Einfühlungsvermögen. Es geht darum, ein authentisches soziales Verhalten an den Tag zu legen, indem in sekundenschnelle  Gedanken und Gefühlen anderer Menschen erfasst werden (können).

Menschen, bei denen keine Spiegelneuronen vorhanden sind, z.B. durch einen Mangel an Wärme und Geborgenheit, Gewalt- oder Missbrauchserfahrung in der Kindheit, können keine Empathie entwickeln. Nicht selten ist dieser Umstand die Ursache von Gewalttaten. Deshalb steht die Frage im Raum, wie man solchen Tätern tatsächlich helfen kann. Da Hirnschäden einen bedeutenden Teil der Erklärung für Delikte darstellen, muss neben einer Strafe durch die Gesellschaft auch die medizinische Therapiemöglichkeit eine entscheidende Rolle spielen, wenn man zukünftig die Gemeinschaft vor solchen Wiederholungstätern schützen will. Wenn der freie Wille determiniert ist, also nicht völlig frei, dann muss die Gesellschaft diesen Menschen auch die Möglichkeit geben, anhand einer Therapie Verhalten neu zu erlernen, um eigene Vetomöglichkeiten gegen die Gewaltspirale aus dem Unterbewusstsein zu entwickeln. Diese medizinische Erkenntnis wird auch Einfluss auf die strafprozessuale Rechtsprechung finden müssen. Freiheitsstrafe allein reicht hier nicht!

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Die Hirnforschung zeigt auf, Spiegelneuronen und Empathie verschalten sich insbesondere noch einmal zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr neu. Wurden bis dahin menschliche Zuneigung, ein liebes Wort zu geben versäumt, kann das fatale Folgen haben. Oft erfahren Jugendliche das erste Mal Aufmerksamkeit wenn sie „ein großes Ding“ gedreht haben. Dann ist es noch nicht zu spät aber es wurde schon viel versäumt. Wenn junge Menschen erst einmal resignieren, sich von der Gesellschaft abwenden, dann kommt es auch auf den rechtzeitigen Warnschuss durch Sanktionen genauso an, wie auf das Geben von empathischer Zuwendung. Es gibt verschiedene Erziehungsstile aber nur ein Fehler ist wirklich fatal: fehlende menschliche Wärme und Hinwendung.

Extremisten verfügen beispielsweise über keine empathische Kompetenzen. Diese sind auch medizinisch nicht mehr therapierbar sondern nur noch limitierbar. Wenn dann ein rechtsradikaler Gewalttäter bei der Urteilsverkündung sagt, „hättet ihr mich mal gleich weggesperrt und nicht erst Bewährung ausgesprochen“ weist das auf ein anderes Detail hin: Rechtzeitig Grenzen setzen.

Identitäten entstehen auch, indem Kindern und Jugendlichen Grenzen und Normen nahe gebracht werden. Am besten durch eine „liebevolle Autorität „ erst einmal im Elternhaus.

Es bringt aber nichts, nur an die Erziehungsverweigerung mancher Eltern oder nur an das angebliche Versagen von Schulen zu appellieren. Oft verstehen auch 16-jährige nicht, warum Gerichtsverhandlungen erst nach einem Jahr erfolgen, die Strafe muss vielmehr auf dem Fuß erfolgen. Das hängt ganz einfach mit den sich schnell bildenden Gehirnstrukturen in diesem Alter zusammen. Hier sind alle gefordert, Elternhaus, Schule, Polizei, Justiz und freie Träger.

Empathie entsteht durch positive soziale Erfahrungen. Kinder und Jugendliche spiegeln nichts anderes wider, als die erlebte Erwachsenenwelt. Deshalb sind wir alle gefordert, im Rahmen unserer Möglichkeiten ein zugewandtes Miteinander vorzuleben. Das betrifft auch und vor allem eine verbale gewaltfreie Kommunikation untereinander.