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Haben Sie heute schon mit ihrem Wahrsager gesprochen? Warum eigentlich nicht. In der Ermittlungsarbeit der Polizei zum Beispiel, hat der Umgang mit Wahrsagern, Hellsehern bzw. Kriminaltelepathen eine lange Tradition. Das Thema ist seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Polizeiarbeit bekannt.

Der erste Fall bei der Hinzuziehung eines Hellsehers zur polizeilichen Ermittlungsarbeit, wurde in Deutschland 1919 dokumentiert. Auch in der Weimarer Republik war es gang und gäbe, Parapsychologen bei der Aufklärung von Verbrechen einzubeziehen. In Österreich (Wien) entstand 1921 gar ein „Institut für kriminaltelepathische Erforschung“.

Der Potsdamer Jurist, Albert Hellwig (1880-1951) archivierte unzählige, bis heute unerforschte Einzelfälle, in denen „Übersinnliche“ mit der Polizei zusammen gearbeitet haben. So soll die Wahrträumerin Minna Schmidt angeblich den Fundort von zwei der Leichen, nach einem Doppelmord an zwei Bürgermeistern in Heidelberg, richtig benannt haben.

Auch heutzutage erreichen Kriminalserien im TV und diverse Zeitungsmeldungen, in denen Personen mit übersinnlichen Kräften agieren, höchste Einschaltquoten. Vorzugsweise sind die Leichen weiblich und jung; das steigert das emotionale Interesse.

So wie beim Tötungsdelikt in Kandel. Dass Opfer war ein 15-jähriges Mädchen, gerade dem Kindesalter entwachsen. Dem Täter war es gegenüber den deutschen Behörden gelungen, sein Alter um mehrere Jahre zurückzubeamen. Obwohl klar war, dass der Afghane das Opfer mit einem 20 cm langen Küchenmesser bestialisch erstochen hatte, erfolgte der Haftbefehl durch die Staatsanwaltschaft nur wegen Totschlags. Bekannt war, dass der Täter das Mädchen auf dem Schulhof geschlagen hatte, dieser ihr nachstellte und sie bedrohte. Er wolle den Teenager abpassen. Doch die Ermittler berichteten, man habe sich am Tort„ zufällig getroffen“. Außerdem könne es sein, dass der Tötung ein Streit vorangegangen wäre, wurde auf der Pressekonferenz zu Ungunsten des Opfers kommuniziert. Das Phänomen des angeblichen Totschlages musste Wochen später ganz irdisch geheilt werden. Nun ermittelt neuerdings auch der Chef des Strafverfahrens wegen „Mordes“.

Wahrsager scheinen auch in der Gegenwart sowieso wieder Konjunktur zu haben. So berichtet ein Medium, Entschuldigung, berichteten die Medien, dass auf den Hals des Bürgermeisters von Altena mit einem 34cm langen Messer eingestochen wurde. Die Staatsanwaltschaft würde wegen versuchten Mordes (niedrige Beweggründe, Heimtücke) ermitteln.  Als der Bürgermeister anstatt Krankenhausaufenthalt und Notoperation putzmunter im TV mit einem Pflaster auftauchte, waren die heiligen Geister verflogen (verstummt?). Ganz realitätsnah musste man später kleinlaut einräumen, dass man sich zufällig an einem Imbiss begegnet sei und das Messer lediglich an den Hals gehalten wurde. Eine leichte Schnittwunde konnte geklebt werden. Der stark betrunkene Täter wäre mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden gewesen. Die Staatsanwaltschaft räumt zwar „Spontanität“ ein, man müsse aber wegen „versuchten Mordes“ ermitteln. Nun ja, drei Juristen – vier Meinungen. Ich bin jetzt schon gespannt, was von diesen Vorwürfen übrig bleibt.

Fassen wir zusammen: „Totschlagsverdacht“ bei dem Verbrechen eines Flüchtlings gegen ein 15-jährigens Mädchen. „Mordverdacht“ (Versuch) durch einen Betrunkenen und einem Kratzer am Hals. Hier können nur Überirdische am Werk sein.

Noch ein Blick in die Geschichte:

Nach dem 2. Weltkrieg scheuten sich selbst Staatsanwaltschaften nicht, „wissenschaftliche Ermittlungsexperimente“ mit Personen zu veranstalten, die dem Okkultismus nachgingen.

Ein aufsehenerregender Fall, besteht diesbezüglich im Zusammenhang mit der Entführung von des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer, im Herbst 1977, durch Mitglieder der RAF. Ein Polizeipsychologe und ein Beamter der Bundeswehrschule für „Psychologische Verteidigung“ in Euskirchen suchten daraufhin den Utrechter Hellseher Gérard Croiset auf. Beide Ermittler zeigten sich von den Aussagen des Meisters sehr beeindruckt. Polizeikräfte observierten daraufhin ein bestimmtes Kölner Wohngebiet- nachdem Croiset Vermutungen über den Aufenthaltsort Schleyers angestellt hatte.

In einem anderen Fall wurde der Bahrenfelder Unternehmer Süleyman T. durch drei Schüssen in den Kopf, ermordet. Die Polizei war bis 2008 immerhin 500 Hinweisen nachgegangen, ohne einer heißen Spur auf den Grund gehen zu können. Deshalb wurde der iranische Geistheiler Dawoud Z.  eingeflogen. Die Beamten der SOKO „061“ trafen sich mit dessen Vermittlerin daraufhin im Hotel des „Interconti“. Immerhin half die Polizei bei der Visabeschaffung für den großen Maestro. Nach seiner Ankunft in Hamburg erhielt er die Daten von neun Mordopfern, den Namen ihrer Mütter plus Fragen zur Mordserie. In der eigens dafür angemieteten Wohnung will er daraufhin über ein Medium in den mystischen Kontakt mit dem Getöteten getreten sein.

Der Täter sei jung und „Südländer“ mit braunen Augen und schwarzen Haaren, vermutlich Türke. Das Opfer habe Kontakt zu einer Motorrad-/Rockerbande gehabt. Die Hauptperson hieße „Armin“ und trage ein Kopftuch, außerdem spiele ein „Mustafa Horgh“ eine wichtige Rolle. Die Tat wäre eine Ungerechtigkeit, im Hintergrund wären außerdem „Drogen und andere wichtige Sachen“ im Spiel gewesen. Allein die Eingabe des Namens „Armin“ in das polizeiliche Auskunftssystem brachten 153 Treffer.

Heutzutage versuchen einige Untersuchungsausschüsse Licht in das diesseitige Dunkel zu bringen. Nicht wenige spitze Zungen behaupten, dass nur noch übersinnliche Kräfte für eine vollständige Aufklärung der NSU-Morde und die Rolle diverser Behörden sorgen könnten. Zu stark sei die Blockadehaltung der Behörden. So beklagen Abgeordnete des NSU-Ausschusses in Brandenburg stets, dass die Akten zu spät oder gar nicht geliefert werden und wenn, dass sie bis zur Unkenntlichkeit geschwärzt sind. Menschlich unerklärbare Freiheiten hätten Rechtsextreme selbst in der brandenburgischen Justizvollzugsanstalt besessen. So schallte rechtsradikale Musik über die Knastflure, es gab braune Bücher zu lesen, auch ein Praktikum in einem rechtsradikalen Laden im entfernten Sachsen wäre kein Problem gewesen. Illegaler Sprengstoffbesitz? Kein Problem, wird eingestellt oder erst gar nicht verfolgt. Übersinnliche Kräfte scheinen zu wirken, wenn in Brandenburg der „Kampf gegen rechts“ auf der Agenda ganz oben steht, aber hintenherum für Einzelne das Gegenteil praktiziert wird.

Auch in der Schweiz ist man fleißig. Hier plädiert ein Staatsanwalt für den Einsatz telepathischer Fähigkeiten bei der Ermittlung und Aufklärung von Verbrechen. Ein In einer Dissertation wird der Einsatz „gewaltloser Alternativen“ in einem Verhör zur Rettung von Menschenleben vorgeschlagen. Genutzt werden können demnach im polizeilichen Verhör „Telepathie, Hellsehen, Psychometrie, Medialität und Pendeln“. Außerdem regt der Jurist eine „Hellsehige Spezialeinheit“ der Polizei an und empfiehlt hierfür spezielle Eignungstests. Allerdings konnte auch die Schweiz den Fall Amri nicht verhindern. Nachdem er dieses Land verlassen hatte, reiste er nach Deutschland ein. Hier konnten auch seine 14 Identitäten, Kontakte zur Salafistenszene und Drogenhandel für keine Verhaftung sorgen.

Aber auch an deutschen Gerichten scheinen im Gutachterwesen einige Wahrsager und Hochstapler unterwegs zu sein, wie immer wieder einige „Expertisen“ beweisen, in deren Folge sogar Menschenleben zu beklagen sind.

Dagegen wird in den Niederlanden das Dunkelfeld erhellt. Jedenfalls im metaphysischen Sinne. Dort wird die Umschulung zum „spirituellen Telefonratgeber“ mit Steuergeldern bezahlt. Die Kosten übernimmt das Arbeitsamt. In Deutschland sind wir schon zwei Schritte weiter; in vielen Institutionen scheint ein höherer Geist zu herrschen, der mit der Realität nichts mehr gemein hat.

Der Text erschien auch im Buch “Schlussakkord Deutschland”.