Foto: „Fridays for Future“ in Nürnberg

Prima Klima, nicht nur in Lima, sondern auch in Nürnberg. Rein zufällig stieß ich in der fränkischen Großstadt mitten ins Geschehen unserer heutigen verwöhnten Wohlstandskinder. Die „Revolution“ fand am Freitag ab 12:30 Uhr auf dem Jakobsplatz statt, ich beschloss zu bleiben. Zu meiner Enttäuschung gab es kein Freibier, dafür aber kostenlosen Kuchen, heißen Tee und Lebkuchen. In unserer Spaßgesellschaft muss an alles gedacht werden, soll es keine enttäuschten Gesichter geben und die Revolution ins Wasser fallen.

Sogar der Bayerische Rundfunk (BR) ist mit einer Kamera vor Ort. Gefilmt wird nicht aus der Supertotalen, sondern im Nahbereich, denn sonst würden die wenigen Teilnehmer auf dem Platz relativ verloren aussehen. Die Polizei zeigt sich gefällig und wird von „bis zu“ 130 Teilnehmern berichten, der BR schließt sich nur allzu gern dieser aufgebauschten Zahl an. Offensichtlich war die Teilnehmerzahl zu gering, das hier verwendete Bild nimmt sich wie aus dem Archiv aus. Meine wohlwollende Zählweise endet bereits bei bestenfalls „bis zu“ 70 Teilnehmern, meistens Schüler und einige merkwürdig aussehende ältere Herrschaften, Typ Berufsrevolutionäre.

Durch das Programm führt (natürlich) ein weibliches hoffnungsvolles Nachwuchstalent. Junge Frauen können besser Emotionen ausdrücken und auf die Zuschauer übertragen als die etwas steif und schüchtern wirkenden Jungs auf dem Rednerpult. Das ist ein sehr wichtiger Teil der professionellen Animationsshow.
Schon schreit die Anheizerin ins Mikrofon: „Wer nicht hüpft, ist für Kohle, hey, hey, wer nicht hüpft, ist für Kohle, hey, hey.“ Auf das Kommando springen alle los und brüllen wie wild mit. Alle, außer ich, der nunmehr entlarvt ist. Ich ernte umgehend kritische Blicke des Unverständnisses, einer muss ja auffallen. So bin ich schnell als alter weißer Mann, der das böse Weltklima auch im Amazonas herbeigeführt hat, identifiziert.

Als ein Redner sich darüber echauffiert, dass der „Deutschen Umwelthilfe“ der Status der „Gemeinnützigkeit“ aberkannt werden soll, klatsche ich als einziger spontanen Beifall. Der Mann in meinem Alter, der die ganze Zeit neben mir stand, entfernt sich daraufhin sofort einige Schritte von mir. Ist eigentlich der BR noch da? Schließlich will man nicht in Verdacht geraten, neben jemandem zu stehen, der es nicht erwarten kann, dass bei diesem dubiosen Abmahnverein die Lichtlein ausgeknipst werden. Nicht auszudenken, wenn so etwas Kompromittierendes im Fernsehen zu sehen wäre!

Spontan fällt mir zwischendurch ein, wäre jetzt nicht regulärer Schulunterricht? Revolution statt Schule, ich gestehe, das hätte mir früher auch gefallen.

Immer wieder kommt die Rede auf die Abholzungen und Brandrodungen des Regenwaldes. Dort versteppt die Landschaft und einheimische Tiere müssen sterben, damit unsere Schweine und Kühe genug zu fressen haben. Igitt, Fleischkonsum! Ein empathieloser Schuft, wer das nicht nachvollziehen will. Wieder werden Wahrheiten mit Halbwahrheiten und Propaganda vermischt, um Emotionen (Gedankenappell: verbrennen Fellnasen mit großen Kulleraugen, voll gemein) und Weltuntergangsängste zu erzeugen.

Jetzt muss schon wieder gehüpft werden. Versammlungsteilnehmer, die (noch) nicht mitmachen, werden von der Stimmungsmacherin sofort über das Mikro ermahnt.

Der nächste Redner erregt sich über die Eroberung der „dritten Welt“ im Jahr 1492. Seiner Ansicht nach Beginn der Klimazerstörung, und natürlich sind wir Europäer daran schuld. Die Einheimischen hätten sowas nicht gemacht. Stimmt, ihnen hat dazu mancherorts die Technologie gefehlt. Dafür hat man sich gern gegenseitig ins Jenseits bekämpft oder als Menschenopfer dargebracht. Der „romantische Wilde“, zu viel Karl May gelesen. Zwischen 1530 und 1780 wurden über eine Million Europäer von Muslimen verschleppt und als Sklaven gehalten. Als 1722 der niederländische Seefahrer Jacob Roggeveen als erster Westeuropäer die Osterinsel entdeckte, staunte er über die kahle Landschaft. Alle Bäume waren von den Einheimischen bereits abgeholzt wurden. Die einstigen dichten Wälder wurden nicht durch neue Anpflanzungen ersetzt.

In den letzten über 500 Jahren ist so einiges passiert. Der dreißigjährige Krieg ist auch schon ein paar Jahre her. Wie die Söldner den Schuss einer Muskete überlebten, muss für „Fridays for Future“ einem Weihnachtswunder gleichkommen. Nicht, weil sie eventuell von einem Projektil (Kugel) getroffen wurden, sondern weil die Feinstaubbelastung durch das Treibladungspulver enorm war. Europäer haben übrigens in der Gesamtheit meistens andere Europäer getötet und nicht Bewohner anderer Kontinente.

Mir fällt auf, viele Schüler tragen teure Markenschuhe. Die Kinder offenbar weniger wohlhabenderer Eltern müssen sich mit Adidas und Nike (Kinderarbeit?) zufrieden geben. Manche fotografieren sich gegenseitig mit dem iPhone, andere müssen sich mit den „Neuen Erden“ (Vorsicht Kindersklavenarbeit) im nicht so angesehenen Smartphone zufriedengeben. Der eigene Beitrag zur Vorbeugung des Klimawandels? Sollen doch gefälligst andere …

Um 13:45 Uhr wurde der Aufstand beendet. Nicht ohne Verweis darauf, dass die nächste Klimademonstration erst im neuen Jahr stattfindet. Klar, es sind bald Weihnachtsferien. Dann geht es für nicht wenige mit dem Flieger in die wärmeren Gefilde. Vergesst bitte auch nicht, eure Projekttage in der Klasse zu planen. Ich schlage eine Flugreise nach Barcelona vor, dort kann man prima shoppen gehen.
Holt mich die Mama jetzt im SUV ab?

Es wird aber auch einmal Zeit, Anerkennung und Komplimente gegenüber den Organisatoren von „Fridays for Future“ zu machen. Rein methodisch war die Veranstaltung erste Sahne. Der Schwerpunkt wurde auf die Erzeugung emotionaler Botschaften gelegt. Durch gemeinsames Hüpfen, Singen, rhythmisches Klatschen und eingespielte laute Musik wurde ergo ein kollektiver Gleichklang erzeugt. So werden Inhalte eingepeitscht und tief ins Unterbewusstsein gepflanzt. Hinzu wird das Bedürfnis befriedigt, dass Menschen als soziale Wesen einer Gemeinschaft Gleichgesinnter angehören wollen. Vor allem wenn man sich moralisch erhöhen kann und auf der Seite des Guten wähnen.

Wenn man manipulativ verführen will, erreicht man mit dieser professionellen Methodik fast perfekt die Psychologie der Massen.

Hier wurde, ähnlich Gretas Foto im ICE, nichts dem Zufall überlassen.
Für mich hatte die Veranstaltung eine sektenhafte Anmutung.


Steffen Meltzer, Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr: So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf