Foto: J. Bergmann

Polizist aus Potsdam: Ratgeber zur Gefahrenabwehr:

Tunnelblick zieht Trickdiebe an

Steffen Meltzer, 53, ist gern Polizist in Potsdam. Und hat seine Erfahrungen mit Tätern und Opfern jetzt in ein Buch gepackt.

Ein Polizist aus Potsdam hat ein Ratgeber-Buch über Alltagskriminalität geschrieben. Er gibt darin praktische Tipps, wie man mit Gefahrenquellen auf der Straße umgeht und sich am besten verteidigt.

Am liebsten wäre es Steffen Meltzer, man würde sein Buch gar nicht brauchen. Dabei hat er mit seinem „Ratgeber Gefahrenabwehr“ offensichtlich ins Schwarze getroffen. „Wie Sie Gewalt und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“, heißt der Untertitel. Meltzer, Potsdamer Polizist, erklärt darin die Erscheinungsformen von Gewalt, sei es im häuslichen Umfeld, im Fußballstadion oder unter Jugendlichen.

Wie lenkt man den Täter ab?

Er beschreibt die Gefahrenquellen auf der Straße, erklärt Einbruch, Taschendiebstahl und Enkeltrick. Er schreibt über das Mobbing und Stalking, sexuelle Nötigung und Gewalt, vergleicht Statistiken, liefert Zahlen. Und vor allem hilfreiche, praktische Tipps zur Vermeidung solcher Vorfälle. Detailliert erklärt er Strategien, wie man sich verteidigt und sich ein paar Sekunden Vorsprung verschafft, um den Täter abzulenken, zu überraschen. Wie man verhindert, dass einem K. O. Tropfen in einem Getränk untergejubelt werden. Und was zu tun ist, wenn doch etwas passiert ist, wo man Zeugen findet und was man sich merken sollte. Und wie verhält man sich, wenn man selber Zeuge einer Straftat wird? Was wollen Polizisten oder Rechtsanwälte wissen? 

Im Internet bekommt Meltzer dafür durchweg positive Beurteilungen. Endlich mal etwas Praktisches, etwas, das man anwenden kann, das Buch sei absolut hilfreich und unbedingt zu empfehlen, heißt es dort. Drei Jahre hat Steffen Meltzer an dem Projekt gearbeitet, im Mai dieses Jahres ist es im Ibidem-Verlag in Stuttgart erschienen. 300 Seiten, dazu ein paar Bilder und Grafiken. Sein erstes Buch, sagt er. Nur drei Prozent aller bei Verlagen eingereichten Manuskripte werden auch gedruckt, hat er recherchiert. Bei ihm dauerte es nur wenige Tage, bis der Verlag sich meldete: „Herr Meltzer, das machen wir.“

„Die Polizei ist besser als ihr Ruf“

Polizeioberkommissar Meltzer ist als Einsatztrainer und in der Aus- und Weiterbildung von Polizisten tätig. Ein weiterer Schwerpunkt ist Präventionsarbeit von Drogen- und Gewaltdelikten. Die beginne schon im Kindergarten, sagt er. Meltzer, 53 Jahre alt, stammt aus Meißen, dort war er bei der Volkspolizei. Auch sein Vater war Polizist. Nach der Wende pausierte er für ein paar Jahre, wollte dann aber doch zurück in seinen Beruf. „Die Polizei ist besser als ihr Ruf“, sagt er. Auch wenn es in Brandenburg wie anderswo grundsätzlich zu wenige Kollegen gibt. Als Anfang der 1990er in Brandenburg neue alte Kollegen gesucht wurden – Bedingung: Man durfte nicht bei der Stasi gewesen sein – sagte er zu. Seit 1993 ist er nun bei der Polizei in Potsdam. Dass auch dieser Beamtenapparat nicht vor internen Problemen wie Mobbing gefeit ist, ist ihm bewusst. Und es freut ihn, dass der neue Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke dieses Thema offen anspricht.

Aus der Sicht eines Polizisten

Meltzer ist auf den ersten Blick ein zurückhaltender, ruhiger Typ mit rudimentärer sächsischer Gelassenheit. Aber im Gespräch wird er schnell konkret und deutlich. Diese Direktheit zieht sich auch durch das Buch. Klare Worte sind ihm lieber – und treffen offensichtlich den Nerv der Leser. Dennoch ist es kein oberflächlicher Ratgeber geworden, sondern ein Buch mit teils erschreckendem Tiefgang. Meltzer macht sich Gedanken über Täterpersönlichkeiten, woran man sie erkennen kann, wie man ihnen begegnet. Das sei letztlich auch für die Polizeiarbeit wichtig. Er schreibt, aus der Sicht eines Polizisten, wie man als Opfer den ermittelnden Kollegen die Arbeit erleichtert, in dem man keine Spuren verwischt, Zeugenwissen ansammelt, vor allem überhaupt erst einmal die Straftat meldet. Das sei nach wie vor ein Problem: Viele Delikte würden aus Scham oder weil man sie für nichtig hält, nicht angezeigt. Die Dunkelziffer, sagt Meltzer, sei vor allem im Bereich sexueller Straftaten als auch im Bereich der Internetkriminalität erschreckend hoch.

Sehr wichtig ist es Meltzer zu vermitteln, dass man vieles tun kann, damit es gar nicht erst zu Delikten kommt. Er erklärt das sehr anschaulich, unweigerlich überprüft man dabei sein eigenes Verhalten. „Der Täter sucht sich in der Regel ein Opfer, das Erfolg verspricht. Das sich nicht wehren wird. Das schwach ist“, sagt er. Wer schon ängstlich und gebeugt, verhuscht und mit hängenden Schultern durch eine dunkle Straße läuft, wird eher angemacht als eine Person mit aufrechtem, selbstbewusstem Gang. Gern zeigt er, was er damit meint, macht es vor, lässt die Zuschauer den Effekt wahrnehmen. Und auch Trickdiebe suchen sich meist Opfer, die verträumt und mit Tunnelblick, wie er sagt, umherlaufen.

Auch Einblicke in die Geschichte

Sein Ratgeber gibt neben den praktischen Tipps auch Einblick in die Historie, Meltzer hat zum Beispiel so genannte Gaunerzinken recherchiert, kleine Tags, die Einbrecher an Häusern hinterließen – mit Hinweisen wie „Einbruch lohnt“ oder „scharfer Hund“ für den nächsten. Überraschung: Was er in einem historischen Lexikon fand, deckte sich weitestgehend mit einer aktuellen Umfrage unter Gefängnisinsassen. Für das Buch hat er sie alle aufgemalt und übersetzt. Heute spielen sie kaum noch eine Rolle, moderne Medien haben sie längst abgelöst. Aber sie zeigen, wie durchdacht und organisiert Täter damals wie heute agieren.

Keineswegs will Meltzer mit dem Buch Angst machen. Brandenburg sei ein vergleichsweise sicherer Landstrich. Er möchte den Leser aufklären und stärken. Das gilt auch für Kinder, sagt Meltzer angesichts des kürzlich verschwundenen Potsdamer Jungen Elias. „Kinder müssen sich zu Hause geborgen fühlen und lernen, dass sie auch Erwachsenen gegenüber nein sagen dürfen.“

Steffen Meltzer, Ratgeber Gefahrenabwehr. 304 Seiten, Ibidem-Verlag, Stuttgart 2015. Das Buch kostet 24,90 Euro, erhältlich im Handel und auf der Internetseite von Steffen Meltzer.

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