Brandenburgisches MIK

Redaktion „Info 110“

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse habe ich in der Sonderausgabe „Info 110“ (Seiten 102 – 105) den Beitrag des Diplom-Psychologen Gerrit K. zur Thematik der „Reichsbürger“ gelesen. Ich halte es für einen großen Irrweg, dass Thema fortwährend in einer ständigen Überbetonung zu psychologisieren, zumal der Verfasser keinerlei Studien und Quellenverweise zu den von ihm beschrieben Erkrankungen und Störungen in seinem Text vorweisen kann. Stattdessen schreibt er mehrfach von „Annahmen“ („scheint“) die er jedoch nicht wissenschaftlich belegen kann. Bislang existiert keine Studie über die „Psychologie von Reichsbürger“.

Wenn schon Persönlichkeitsstörungen – und erkrankungen angenommen werden, dann muss das auch besondere Konsequenzen für die Eigensicherung zu Folge haben. Deutschlandweit gab und gibt es im polizeilichen Einsatz gegenüber psychisch Erkrankten“ viele Todesopfer und Verletzte auf „beiden Seiten“.

Im Schnitt begehen psychisch erkrankte Personen zwar weniger Gewalttaten als sogenannte „Normale“, jedoch gibt es mehrere statistisch- und in Studienergebnissen belegte Ausnahmen. So gibt es Krankheitsbilder und Störungen, bei denen die Gefahr deutlich erhöht ist, dass sie gegenüber Dritten und/oder Polizeibeamten erhebliche Gewalthandlungen begehen können.

Desweiteren finde es bemerkenswert, dass sich hier ein Kriminologe anmaßt über Handlungsempfehlungen für die Eigensicherung zu schreiben, der noch nicht einmal die grundlegenden Begriffe eben aus dieser Eigensicherung kennt. Dieser Umstand ist mir nur zu gut bekannt. Die Schlussfolgerung des Kriminalpsychologen K., man möge als Polizist seiner Arbeit „routiniert“ nachgehen ist aus meiner Sicht verantwortungslos und zeugt einmal mehr vom Nichtbeherrschen polizeilicher Grundsätze der Eigensicherung. Der Autor geht auch fehl in der Annahme, dass vorbereitete Einsätze der Gefahrenschwerpunkt betreffs „Reichsbürger“ wären. Auch Psychologieoberrat a.D. Füllgrabe weiß es besser, der gefährlichste polizeiliche Einsatz ist die klassische Verkehrskontrolle, erst recht, wenn man auf diese „Klientel“ stößt. Das Internet ist voller Videos von solchen missglückten polizeilichen Einschreiteszenarien.

Es kommt vielmehr darauf an, Polizeibeamte und im Übrigen auch Mitarbeiter der kommunalen Behörden auf solche unerwarteten „Begegnungen“ gut vorzubereiten. Dabei lediglich die „Grundsätze der Eigensicherung routiniert abzuarbeiten“ reicht selbstverständlich nicht aus. Der Psychologe könnte es besser wissen, wenn er es schon selbst nicht weiß, so haben seine Kollegen hierzu eine ganze Menge an Inhalten bereits ausgearbeitet. Ich verweise beispielsweise auf Dr. Schwabl, Dr. Füllgrabe oder Prof. Ungerer.  Die weiteren „Handlungsempfehlungen“ des Herrn K. sind zwar nicht falsch, aber eher unter „selbstverständlich“ zu betrachten. Das Polizeibeamte die Rolle eines Gerichtsvollziehers stärken um Rechtsstaatlichkeit wieder herzustellen, entspricht eher einer Binsenweisheit, ebenso der Hinweis, man solle „handlungssicher“ auftreten. Warum soll der Beamte auch „handlungsunsicher“ auftreten? Ich wüsste nicht warum, denn ohne ein sicheres Auftreten ist der Polizeiberuf nicht auszuführen.

Praktische „Handlungsempfehlungen“ habe ich bisher bei keiner einzigen Veranstaltung zu diesem Thema in Brandenburg entdecken können, stattdessen wird analysiert und psychologisiert und eine verwaltungsübliche „Juristerei“ betrieben. Ich halte es nach wie vor für grob fahrlässig, auf dieser Stufe stehen zu bleiben. Es wird Zeit, die weiteren Schritte zu gehen. Mir ist inzwischen bekannt, dass man in dieser Hinsicht beratungsresistent ist. Im Sinne der Kollegen kann ich diesen Zustand jedoch nicht dulden. 398 getötete Polizisten seit 1945 in Deutschland sind mitunter auch bei „routinierten Einsätzen“ ums Leben gekommen, deshalb ist es m.E. nicht länger hinzunehmen, dass man Kollegen mit oberflächlichen Handlungsempfehlungen abspeist.

Ich hatte schon gebetsmühlenartig vor zwei Jahren darauf hingewiesen, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis wir den ersten toten Polizeibeamten durch einen sog. Reichsbürger haben.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Meltzer
zertifizierter Einsatztrainer

Fotoquelle: https://polizei.brandenburg.de/fm/32/info110-komprimiert.pdf