Mein Interview am 01.03.2017, Anlass war ein Banküberfall 

Hier der Zeitungstext, die Veröffentlichung wurde mir genehmigt:

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Schwedt (MOZ) Der Banküberfall auf eine Sparkassen-Filiale in Schwedt beschäftigt auch drei Tage nach der Tat viele Menschen. Der Schock sitzt noch tief. MOZ-Redakteurin Daniela Windolff sprach mit dem erfahrenen Polizeitrainer und Buchautor, Polizeioberkommissar Steffen Meltzer.

Herr Meltzer, die Mitarbeiter der Sparkasse haben offensichtlich richtig reagiert. Gibt es grundlegende Regeln, wie man sich verhält und schützen kann, wenn man in solche eine Gefahrensituation gerät?

Verhalten Sie sich zunächst defensiv. Wenn ein Täter konkret mit einer Waffe droht, dann unbedingt machen was er sagt. Wenn Sie nicht für solche Krisensituationen trainiert sind, wie die wenigsten Normalbürger, dann spielen Sie keinesfalls den Helden. Es gibt leider zahlreiche Beispiele falsch verstandener Zivilcourage, wo Menschen schwer verletzt oder getötet wurden, nur weil sie helfen oder die Einnahmen des Unternehmens verteidigen wollten. Täter sind in so einer Hochstresslage voller Adrenalin und nicht selten unter Einfluss von Drogen. Für sie geht es um alles, sie wollen auf keinen Fall gefasst werden.

Drohungen muss man also immer ernst nehmen.

Ja. Bei einer Gewalttat ist es schnell möglich, dass Täter in einer aus ihrer Sicht unvorhergesehenen Eskalation affektiv ihre Waffe einsetzen, obwohl dies ursprünglich gar nicht geplant war. Betteln oder flehen Sie Täter aber auch nicht an, das macht gerade antisoziale Menschen aggressiv, da sie dann noch mehr Macht spüren. Bleiben Sie ruhig, überwinden Sie Ihre Schockstarre, machen Sie erst einmal, was der Täter verlangt. Denken Sie daran, Geld und Wertsachen sind ersetzbar, Leben und Gesundheit nicht. Ergreifen Sie, unter Abwägung aller Gefahrenumstände, gegebenenfalls die Flucht und rufen Sie sofort die Polizei!

Gibt es Anzeichen, die die Gefährlichkeit von Tätern erkennbar machen?

Bei einem Täter, gerade bei einem Überfall, sollte man immer davon ausgehen, dass er gefährlich ist. Nicht alle tragen eine Waffe offen sichtbar. Wenn beispielsweise dessen Hand zum Rücken geht, er dabei auf eine Person mit leicht gesenktem Blick aggressiv zugeht, bedeutet das allerhöchste Gefahr. Am Rücken könnte ein Messer versteckt sein und ein Angriff steht bevor.

Kampf oder Flucht?

Letzteres ist eindeutig die sicherere Variante, aber bei einer unmittelbaren Lebensgefahr muss man sich notfalls auch tatkräftig verteidigen können. Grundwissen über Hilfsmittel des Alltages sind dann nützlich. Kugelschreiber, Schlüsselbunde, Taschen, eine um den Arm gewickelte Jacke oder ein Stuhl können gute Abwehrwerkzeuge sein. Falls der Täter flüchtet, diesen auf keinen Fall aufhalten! Auch nicht mit Tunnelblick und Jagdfieber hinterherrennen. Die Angst, entdeckt oder gefasst zu werden, macht solche Kriminellen unberechenbar. Sie haben nichts zu verlieren, außer ihre Freiheit. Es ist Sache der Polizei, den Täter zu stellen.

Angenommen, ich komme als Zeuge in so eine Situation. Wie verhalte ich mich dann richtig?

Auch hier gilt genauso: Versuchen Sie ruhig zu bleiben und Panik zu vermeiden und spielen Sie nicht den Helden. Tun Sie, was der Täter verlangt. Wenn es möglich ist, flüchten Sie und rufen Sie die Polizei.

Es gibt Menschen, die haben nach solchen Überfällen Angst, eine Bank zu betreten.

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Entwickeln sie keine sozialen Vermeidungsstrategien. Gehen Sie raus ins Leben, stellen Sie sich der Situation. Dann können Sie die Realität mit ihren subjektiven Ängsten abgleichen und werden schnell merken, dass Ihre Befürchtungen fast unbegründet sind. Solche Verbrechen kommen vor, sind jedoch Einzelfälle. Bereiten Sie sich aber auch gedanklich auf einen möglichen unvorhergesehenen Zwischenfall vor.

Für Betroffene ist ein Überfall ein traumatisches Erlebnis. Kann man sich auf solche Ausnahmesituationen überhaupt vorbereiten?

Es ist in jedem Fall ein einschneidendes Erlebnis, egal, ob es ein Überfall am Arbeitsplatz, auf der Straße oder in der Wohnung ist. Je besser man sich schon im Vorfeld gedanklich auf so einen möglichen Fall vorbereitet, desto besser kann man solche Krisensituationen im Ernstfall meistern und verarbeiten. Spielen Sie immer wieder mal gedanklich durch, wie Sie sich bei einem Raubüberfall oder Frauen bei einer sexuellen Nötigung verhalten würden. In der Eigensicherung gibt es bestimmte Grundlagen, die in fast jeder Situation nützlich sind. Legen Sie sich in Gedanken einen einfachen Notfallplan zurecht. Entwickeln sie einen peripheren Blick 

auf Ihre Umgebung und ein gelassenes Gefahrenbewusstsein. Das hat gar nichts mit Verfolgungswahn zu tun. So trainieren Sie Ihr Unterbewusstsein für Risikosituationen.

Aber schürt das nicht diffuse Ängste, die Welt sei voller Gefahren?

Als Polizist muss ich sagen: Es gibt nun einmal auch im Alltag Kriminalität und jeder kann prinzipiell Opfer einer Straftat werden. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Das ist Fakt. Doch dieses Risiko kann man durch das Erlernen einfacher Handlungsstrategien deutlich minimieren, ohne gleich Karatemeister werden zu müssen.

Sie haben in Ihrem Buch „Ratgeber Gefahrenabwehr“ Formen von Kriminalität beschrieben, vom Taschendiebstahl bis zum Bankraub, und geben alltagstaugliche Handlungsempfehlungen, wie sich Normalbürger schützen können. Gibt es eine „Goldene Regel“?

Seien Sie selbstbewusst, das bedeutet weder zu provozieren, noch unterwürfig zu sein. Zeigen Sie das durch eine feste, konsequente Stimme und aufrechte Haltung. Selbstbewusstsein schreckt Täter ab. Diese suchen sich meist leichte Opfer aus, von denen Sie wenig Widerstand erwarten. Die machen eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung auf, weil sie risikoarm zum Ziel kommen wollen. Wir tragen in uns alle Instinkte und Mechanismen, Gefahren zu erkennen und erfolgreich zu bewältigen. Holen Sie diese oft nur verschütteten Eigenschaften wieder in Ihr Bewusstsein und wenden sie erfolgreich in Krisensituationen an.

Das Interview führte Dniela Windolff

Quellenangabe: http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1556121

Buchtipp: Steffen Meltzer, „Ratgeber Gefahrenabwehr – Wie Sie Gewalt und Alltagskriminalität begegnen“, ibidem Verlag, ISBN-13: 978-3-8382-0765-0; Kontakt: www.steffen-meltzer.de