Quellen: chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://www.landtag.brandenburg.de/media_fast/6/T%C3%A4tigkeitsbericht-Polizeibeauftragte%20Brandenburg-2024.pdf
https://www.landtag.brandenburg.de/de/startseite/die_beauftragte_fuer_polizeiangelegenheiten_des_landes_brandenburg/33814
Tierquälerei im Diensthundewesen, Bedrohung von Polizeibeamten
Auszug aus dem Bericht der „Polizeibeauftragten“
4.4.2. Diensthundewesen Bereits im Berichtszeitraum 2023 reichten sowohl Polizeibedienstete als auch externe Personen Eingaben und Beschwerden zum Umgang mit Diensthunden bei der Polizei Brandenburg ein. Grundsätzlich war diese Thematik auch für die Polizeibeauftragte nicht neu. Schon in der 34. Sitzung des Ausschusses für Inneres und Kommunales am 09.02.2022 wurde das Thema „Auswirkungen der neuen TierschutzHundeverordnung auf die Diensthundeausbildung bei der Polizei“ behandelt. Die Diskussion setzte sich in der 38. Sitzung am 8.06.2022 fort, wobei insbesondere die Folgen der neuen Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV) für die Ausbildung von Diensthunden im Mittelpunkt standen. Das Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK) betonte, dass die Innenministerkonferenz die Bundesregierung um Klarstellungen zur Verordnung gebeten habe. Der damalige Innenminister Michael Stübgen verwies darauf, dass die bisherige Ausbildung über Jahrzehnte hinweg erfolgreich gewesen sei. Die Einsatzfähigkeit der Diensthunde müsse in gewohnter Qualität erhalten bleiben, weshalb insbesondere bei Schutzhunden der Einsatz bestimmter Erziehungshalsbänder weiterhin als notwendig erachtet werde. Eine vollständige Umstellung der Ausbildungsmethoden ohne diese Hilfsmittel sei aus Sicht des Ministeriums fraglich. Dem widersprach der damalige Landestierschutzbeauftragte Dr. Heidrich, der eine Änderung der TierSchHuV für nicht erforderlich hielt. Er kritisierte, dass in Brandenburg weiterhin Stachel- und Würgehalsbänder eingesetzt würden, obwohl diese als tierschutzwidrig gelten. Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, setzten bereits erfolgreich auf andere Ausbildungsmethoden, ohne die Einsatzfähigkeit der Hunde zu beeinträchtigen. Eine Tierärztin bestätigte, dass eine entsprechend angepasste Ausbildung möglich sei, und empfahl eine Überarbeitung der bisherigen dualen Ausbildung, bei der Hunde zunächst im Schutzdienst trainiert werden, bevor sie sich spezialisieren. Besonders kontrovers wurde die systematische Nutzung von Stachelhalsbändern diskutiert, die laut dem Landestierschutzbeauftragten teilweise sogar getarnt zum Einsatz kämen. Zudem wurde hinterfragt, ob die Auswahl der Hunderassen sowie die duale Ausbildung weiterhin zielführend seien. Das Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK) betonte jedoch, dass die Qualität der Diensthundeausbildung nicht beeinträchtigt werde und eine fortlaufende Überprüfung der Ausbildung erfolge.17 Die Debatte offenbarte erhebliche Differenzen zwischen dem Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK) sowie Tierschutzexperten. Während das Ministerium an bewährten Methoden festhalten wollte, forderten Experten und einige Abgeordnete eine tierschutzkonforme Modernisierung der Ausbildung. Insbesondere die Notwendigkeit von Erziehungshalsbändern und die Struktur der Ausbildung blieben umstritten. Die Polizei hingegen hatte Mitte des Jahres 2022 35zugesagt, das Diensthundewesen zu überprüfen, kritisch zu beleuchten und sich mit anderen Polizeibehörden auszutauschen. Vor diesem Hintergrund überraschte es umso mehr, dass die Polizeibeauftragte schon kurze Zeit nach ihrem Amtsantritt mehrere Beschwerden und Eingaben aus dem Diensthundewesen erhielt, die weit über die bisher in der Öffentlichkeit bekannten Probleme hinausgingen. Die Eingebenden und Beschwerdeführenden gaben an, dass die bereits in der Öffentlichkeit diskutierten Probleme aus ihrer Sicht kaum oder gar nicht vorangetrieben wurden. Insbesondere wurden bestehende Konzepte, etwa zum Hundeankauf oder zur Hundeausbildung, als fragwürdig erachtet oder würden nicht richtlinienkonform umgesetzt. In erster Linie wurden jedoch die Ausbildungsmethoden kritisiert. Die Schilderungen aus der Praxis waren erschreckend und gingen weit über das hinaus, was eine Tierärztin gemeinsam mit dem Landestierschutzbeauftragten im Innenausschuss kritisiert und als Tierquälerei bezeichnet hatte. Zudem wurde berichtet, dass Diensthundeführende, die sich bei Vorgesetzten zu diesen Vorfällen äußerten, unter Druck gesetzt und eingeschüchtert würden. Die Einschüchterungen seien u.a. mit der Androhung erfolgt, dass die sich äußernden Personen ihre Position als Diensthundeführende verlören und ihre Hunde entzogen werden würden. In diesem Zusammenhang meldete sich eine betroffene Person aus dem Kreis der Diensthundeführenden, der genau dies widerfahren sei. Diese schilderte, dass eine vorsätzlich falsche Bewertung im Rahmen einer Diensthundeprüfung erfolgt sei. Nach Ansicht der Person sei der Diensthund absichtlich überfordert und schließlich entzogen worden– offenbar mit dem Ziel, die o.g. Person aus dem Diensthundewesen zu entfernen und anderen Diensthundeführenden ein abschreckendes Beispiel zu liefern. Verschiedene Versuche, rehabilitiert zu werden, scheiterten. Der immanente Druck innerhalb bestimmter Hundestaffeln wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht. Zudem wurde die Behauptung aufgestellt, dass auf Personen, die sich über Vorgänge im Diensthundewesen beschwert hätten, Druck ausgeübt würde, etwa durch überraschende innerdienstliche Maßnahmen, deren Anlass zuvor von Vorgesetzten stillschweigend geduldet wurden. Auch wenn es sich bislang lediglich um Behauptungen handelt, können derartige Vorwürfe den Eindruck erwecken, dass Kritik und Beschwerden innerhalb der Polizei unerwünscht seien und mit negativen Konsequenzen beantwortet würden. Ein solcher Eindruck kann das dienstliche Klima erheblich belasten. Es fördert Unsicherheit, hemmt eine offene Kommunikation und trägt zur Entstehung einer Kultur des Schweigens bei. Der daraus resultierende Verlust des Vertrauens in die eigene Organisation kann sich langfristig negativ auf das dienstliche Umfeld, die Motivation und Leistungsfähigkeit der Organisation auswirken. Weiterhin gab es übereinstimmende Berichte über Betrug bei der Abnahme von Prüfungen. Eine erhebliche Anzahl der Diensthundeteams erbringe nicht die Leistung, die sie offiziell vorgäben. Es wurde von Täuschung und Absprachen bei den Prüfungen berichtet. Auch die unzureichende Weiterbildung und Qualifizierung von Lehrwarten sowie Ausbildende wurde kritisiert. Es fehle an einer zeitgemäßen, qualifizierten Ausbildung, die alle Diensthundeführende durchlaufen müssten. Gegenüber der Polizeibeauftragten äußerten Diensthundeführende Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestimmter Methoden, die in der Brandenburger Polizei weiterhin trainiert würden. Sie berichteten, auf Nachfragen bei ihren Ausbildern oder Vorgesetzten entweder keine oder nur unzureichende Antworten erhalten zu haben. Dazu gehörten unter anderem das Verbeißen in stehengebliebenen Personen sowie die Frage, ob die Hunde an einer bereits am Boden liegenden Person „dranbleiben“ sollen. In einigen Fällen soll diese Trainingssituation ohne Gesichtsschutz für die am Boden liegende Person durchgeführt worden sein. Darüber hinaus berichteten Diensthundeführende von Überforderung und Unsicherheit im Umgang mit ihren Hunden sowie von Beißvorfällen, die zum Teil schwerwiegende Folgen für die Diensthundeführende selbst hatten. Kritik gab es auch am Auswahlverfahren für den Ankauf der Hunde. Infolgedessen seien Hunde unklarer Herkunft aus nicht fachgerechten Händen in den Besitz der Brandenburger Polizei gelangt. In diesem Zusammenhang sei zudem erwähnt, dass sich ein Hundeverkäufer darüber beschwerte, ein von der Polizei an ihn zurückgegebener Hund wirke aus seiner Sicht schwer misshandelt. Der Züchter berichtete, dass er den Hund zunächst für eine vierwöchige Probezeit an die Polizei übergeben habe. Diese Frist sei anschließend telefonisch verlängert worden, da der Hund eine Prüfung nicht bestanden habe. Auch nach Ablauf der verlängerten Probezeit sei der Hund erneut durch die Prüfung gefallen. Als der Züchter sich daraufhin weigerte, das Tier kostenlos zurückzunehmen, habe ihm eine verantwortliche Person aus dem Diensthundewesen angedroht, ihm den Hund „an den Zaun zu binden“. Daraufhin nahm der Züchter den Hund schließlich zurück. Das Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK) wies die Polizeibeauftragte im Juli 2023 daraufhin, dass eine Überprüfung dieses Vorfalls durch die Polizeibeauftragte nicht angezeigt sei, da der betroffene Züchter zivilrechtliche Ansprüche gegenüber der Polizei geltend machen müsse – ein Bereich, für den die Beauftragte nicht zuständig sei. Überdies habe der Züchter sich nicht als Bürger, sondern als Unternehmer an die Polizeibeauftragte gewandt. Insofern erscheine eine weitere Befassung aus Sicht des MIK obsolet. Zudem erhielt die Polizeibeauftragte einen Anruf von einer Person aus dem Diensthundewesen, die ihr mitteilte, dass sich die Bediensteten selbstverständlich an das Tierschutzgesetz hielten und es daran keinen Zweifel geben dürfe. Angesichts der Schwere und Häufigkeit der Beschwerden aus dem Diensthundewesen wandte sich die Polizeibeauftragte Anfang August 2023 schriftlich direkt an die Leiterin der Abteilung 4 des Ministeriums des Innern und für Kommunales sowie den Polizeipräsidenten. Die Beschwerden und Eingaben ließen zunächst den Schluss zu, dass mindestens eine Person maßgeblich die o.g. Beschwerdeinhalte verantwortete. Neben der Empfehlung, diese mutmaßlich hauptverantwortliche Person bis zur Klärung des Sachverhalts keinen Zugriff mehr auf polizeiliche Diensthunde zu gewähren, bat sie um ein persönliches Gespräch. Sowohl die Abteilungsleiterin als auch der Polizeipräsident standen der Polizeibeauftragten umgehend für ein Gespräch zur Verfügung. Um daneben eine erste rechtliche Einordnung des Gesamtgeschehens vornehmen zu können, nahmen eine Referentin für Rechtsangelegenheiten des Ministeriums des Innern und für Kommunales sowie die damalige abgeordnete juristische Referentin der Beauftragten an der Besprechung teil. Der vertrauensvolle Umgang mit den sensiblen Eingaben und Beschwerden wurde vom Ministerium des Innern und für Kommunales sehr geschätzt. Der Polizeipräsident sicherte zu, zeitnah eine Personalmaßnahme zu initiieren, um das Diensthundewesen strukturell zu untersuchen und erkannte Mängel zu beheben. Nach der Umsetzung dieser Maßnahme zu Beginn des Jahres 2024 fand ein offener Austausch zu den relevanten Fragestellungen statt. Gespräche mit der neu eingesetzten Führungsperson wurden zum Teil unter Begleitung des Leiters der Direktion Besondere Dienste (DBD) geführt, dem das Diensthundewesen im Zuge der Zentralisierung und Neustrukturierung unterstellt wurde. Am 22.10.2024 fand auf Einladung der Direktion Besondere Dienste (DBD) ein Arbeitsgespräch zwischen mehreren verantwortlichen Bediensteten des Diensthundewesens, der Polizeibeauftragten und der Tierschutzbeauftragten statt. Zudem nahmen Vertreter des Ministeriums des Innern und für Kommunales und des Polizeipräsidiums daran teil. In diesem Rahmen wurden die beiden aktuellen Konzeptentwürfe Diensthundewesen und Aus- und Weiterbildung vorgestellt und diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass die 2023 erhobenen Vorwürfe ernst genommen und entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden. In verschiedenen Bereichen des Diensthundewesens gab es bereits erhebliche Veränderungen. So wurde darauf hingewiesen, dass kein Diensthund der Polizei mehr ein Stachelhalsband trage, was jedoch nicht gesonderter Gegenstand einer Beschwerde bei der Polizeibeauftragten gewesen war. Der Ankauf von Hunden für den Polizeidienst wird seit der Zentralisierung des Diensthundewesens am 01.01.2024 nach einheitlichen Maßstäben durch die Abteilungsführungsgruppe durchgeführt. Nun würde nach Auskunft des MIK grundsätzlich eine bundesweite Marktschau bei bekannten und vertrauenswürdigen Hundehändlern und –züchtern durchgeführt. Angebote anderer diensthundehaltender Verwaltungen sowie Bediensteter des Polizeipräsidiums würden dabei ebenfalls einbezogen. Sowohl die erste Sichtung eines Hundes als auch die später erfolgende Ankaufsprüfung, würden nun nach einheitlichen Kriterien realisiert. Neben einer Überprüfung des Auswahlverfahrens für Diensthunde sei auch das Verfahren zur Auswahl künftiger Diensthundeführender vollständig überarbeitet worden und soll zeitnah umgesetzt werden. Die Ausbildung von Lehrwarten finde nunmehr einheitlich in den Bundesländern SachsenAnhalt und Berlin statt. Am 16.12.2024 folgte die Polizeibeauftragte einer Einladung der Landespolizei zu einem Fachvortrag „Schmerzen beim Hund erkennen“ an der Landesakademie für öffentliche Verwaltung. Dieser wurde von renommierten Verhaltensbiologen für die Diensthundeführenden gehalten. Dabei wurde deutlich, in welchem Maß sich das Diensthundewesen der Polizei Brandenburg für moderne wissenschaftliche Erkenntnisse geöffnet hat, um den Bediensteten wertvolle Impulse für einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Diensthunden sowie mehr Handlungssicherheit zu vermitteln. Für die Polizeibeauftragte bot dies eine weitere Gelegenheit, Einblicke in die aktuellen Entwicklungen des Diensthundewesens zu gewinnen, das einen wesentlichen Beitrag zu einer verantwortungsvollen Polizeiarbeit leistet.
18 Rothe (2015): Tier- und Menschenbissverletzungen. In: Deutsches Ärzteblatt. DOI: 10.3238. S. 112: 433-4. URL:https://www.aerzteblatt.de/archiv/tier-und-menschenbissverletzungen-2fdc0f37-98ce-4091-bab5-e51993b92416 (letzter Zugriff 03.02.2025). 19 Rothe (2015): Tier- und Menschenbissverletzungen. In: Deutsches Ärzteblatt. DOI: 10.3238. S. 112: 433-4. URL:https://www.aerzteblatt.de/archiv/tier-und-menschenbissverletzungen-2fdc0f37-98ce-4091-bab5-e51993b92416 (letzter Zugriff 03.02.2025). 38
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