Von Steffen Meltzer:

Es war nur eine Frage der Zeit, bevor man anfangen würde, die Kritik an dem Schmählied der umweltversauenden Omas zu instrumentalisieren. Vor allem, nachdem ein freier WDR-Mitarbeiter meinte, noch einen draufsatteln zu müssen, und aus der „Umwelt“- eine „Nazisau“ machte. Nicht zu vergessen dessen Häme, als er öffentlich feststellte: „Haha. Wie jetzt alle ausrasten.“ Mit einer unterdurchschnittlichen Intelligenz hätte ihm der nachfolgende Sturm der Entrüstung auf seine Generationenhetze klar sein müssen. Gewaltaufrufe sind unverzeihlich und müssen verfolgt werden – aber wieviel an der Provokation war kalkuliert?

Nun schlägt die große Stunde des Intendanten. Er sorgt dafür, dass die Problematik in den Schlagzeilen der Medien oben angesiedelt bleibt. Nach dem ersten Rückzugsgefecht wird zum Gegenschlag ausgeholt.

Tom Buhrow beklagt das schreckliche Maß an Verrohung und ist erschüttert: „In unserem Land ist etwas richtig krank, und wir haben alle dazu beizutragen, dass sich das ändert“. Ja, das ist so, neue Medien, die auch aus seiner Anstalt heraus als „rechts“ stigmatisiert werden, schreiben davon seit vielen Jahren. Guten Morgen, Herr Intendant! Mich hätte vor allem seine Meinung darüber interessiert, wer zu dieser Spaltung, die bis hinein in die Familien geht, beigetragen hat. Warum immer mehr Deutsche Angst haben, ihre Meinung offen zu äußern und immer weniger Menschen der althergebrachten Politik über den Weg trauen.   Bereits am 28.12.2019 hatte ich auf Facebook Wetten angenommen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die üblichen Beissreflexe gegen „rechts“ von den üblichen Verdächtigen aktiviert werden. So dauerte die Schockphase nach der Wucht der Kritik in den „sozialen Netzwerken“ noch etwas an, bevor die Besinnungslosigkeit wich, um wieder das übliche Hohelied gegen „rechts“ als festes Ritual anzustimmen. Auch die „Antifa Zeckenbiss“ mischt wieder fleißig mit und darf sich größter medialer Beachtung erfreuen.

Wieviel kostet Versöhnung durch den WDR?

Buhrow will nunmehr zur „Versöhnung in der Gesellschaft“ beitragen. Hoffentlich ist das mehr als nur noch mehr Rundfunkgebühren: Das steht allerdings zu befürchten, denn nach „Versöhnung in der Gesellschaft“ sagt Buhrow tatsächlich mit dem  nächsten Atemzug: „Wir gehen dieses Jahr auf die Menschen zu und sagen: ‚Für die nächsten vier Jahre brauchen wir eine ordentliche Finanzierung.‘
Darauf muss man erst einmal kommen: Die verheerende Kritik an dem schmachvollen politischen Missbrauch von Kindern, gegenüber einer Generation, die nicht nur unsere Gesellschaft aufgebaut, sondern traditionell nur am Sonntag Fleisch gegessenen hat, mit Geldforderungen zu verknüpfen. Die Sophisten der Antike hätten es nicht besser machen können. Die Gier nach mehr Geld hat somit das Primat vor der Einsicht. So verkommt die eifrig vorgetragene Selbstkritik schnell zum unglaubwürdigen, taktischen Lippenbekenntnis.

Die umweltverhunzende „Nazisau“-Oma war nur das folgerichtige Produkt dieser Entwicklung und kein Zufall. Weitere dieser „schöngeistigen Ergüsse“ erfreuen uns im Alltag mehr als einem lieb sein kann, dazu braucht man den WDR wirklich nicht. Da schickt man die Alten gleich lieber ins Grab („Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.“) oder F**t die Bullenschweine von der Polizei. Na klar, alles „Kunst“ und „Satire“…

Provokationen dienen nicht nur einer kruden Ideologie sondern sie dienen vor allem dem geschäftlichen Erfolg, auch darum geht es dem WDR, wie man an Buhrows Forderung ersehen kann. So wie sich der provinzielle WDR-Mitarbeiter mit der „Umwelt-“ bzw. dann gesteigerten „Nazisau“-Oma als Trittbrettfahrer eine deutschlandweite Bekanntschaft verschaffen wollte.
Buhrow möchte jetzt auf die ältere Generation zugehen: „Vertrauen Sie uns, wir sind für Sie da. Die Gesellschaft als Ganzes müsse sich im neuen Jahr darum bemühen, die zunehmende Verrohung zu stoppen und ein neues Klima zu schaffen.“

Das liest sich wie eine Schuldzuweisung „an die Gesellschaft“. Die „Gesellschaft“, das sind wir alle. Haben wir alle eine Mitschuld am verkorksten Hühnerstall? Das kann man so nicht stehen lassen.

Spätestens ab 2015, als der Journalismus nicht mehr berichtete, sondern einen Haltungs- und Bewertungspublizismus herbeizauberte, haben der Intendant und seine Jünger nach meinem Eindruck verstärkt polarisiert, stigmatisiert und schöngefärbt. Die Einseitigkeit war kaum noch zu überbieten, die Ausgrenzung Andersdenkender auch nicht. Andere reden gleich von Desinformationen. Es sei „höchste Zeit für eine Reform des öffentlichen Rundfunks. Er gehört verschlankt und an die technologischen Gegebenheiten angepasst. Menschen, die eine klare politische Agenda verfolgen, sollten sich künftig lieber um ein politisches Mandat bewerben, als um einen gebührenfinanzierten Job bei ARD und ZDF“ – das schreibt immerhin Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das ist die Fragestellung, die Buhrow jetzt beantworten muss: Wie kann der WDR vom falschen Feld der Agitation wieder auf Journalismus zurückgeführt werden.
Der WDR mißtraut der Polizei

Das keinem Verantwortlichen des WDR aufgefallen sein will, dass dieses Schmählied keine Satire ist, sondern ein menschenverachtendes Machwerk, spricht   Bände, es ist eine unfreiwillige Selbstoffenbarung. Der Schock in den redaktionellen Etagen über die massiven Reaktionen der Öffentlichkeit scheint mir dagegen echt und nicht gespielt zu sein. Er weist auf die eigene Indoktrinierung hin und auf ein privilegiertes Leben im Elfenbeinturm der eigenen Blase. Solche Rundfunksender sind nicht mehr in der Lage, jene gesellschaftliche Tatsachen, deren Ursachen man mitgeschaffen hat,  als das abzubilden, was sie sind: Fortschreitende Verwerfungen, die mit einer zwischenmenschlichen Verrohung einhergehen. Stattdessen selektiert und zelebriert man lieber schön geredete Kriminalstatistiken, währenddessen man die harten Zahlen der Steigerungen an Fallzahlen negiert.

So, wie WDR-Mitarbeiter krampfhaft versuchen, Hetze gegen eine ganze Generation als Satire zu verharmlosen, so versteht der WDR-Intendant den kausalen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht – oder er sagt es nicht.

Wenn man sich seiner journalistischen Verantwortung bewusst gewesen wäre, hätte man dieses Machwerk niemals produziert. Bei einem Unternehmen mit einer offenen Fehlerkultur, in der Mitarbeiter angstfrei arbeiten können, wäre dieses Lied nicht  durchgewunken wurden.

Morddrohungen müssen scharf verurteilt werden. Gut beraten wäre Buhrow, die Drohungen nicht als Gegenkritik auszunutzen. Auch der öffentlich kommunizierte Einsatz von privaten Personenschützern ist ein völlig falsches Signal an die Bedroher. Das ist außerdem ein unangebrachter Aktionismus, denn nur der Staat hat das Gewaltmonopol, das betrifft auch die Sicherheit als seine Kernaufgabe. Doch offensichtlich geht jetzt auch der WDR von einem Kontrollverlust aus und mißtraut der Leistungsfähigkeit der Polizei in NRW. Dabei hat die Polizei die Möglichkeit, Gefahrenanalysen durchzuführen und echte von unechten Morddrohungen zu trennen. Das betrifft ebenso einen eventuell notwendigen Personenschutz oder andere abgestufte Maßnahmen. Gut ist immer der beraten, der tatsächliche Morddrohungen nicht öffentlich thematisiert, denn das erschwert die Täterfeststellung. Ansonsten kommt schnell der Geschmack eines Politikums auf, der mit realen Bedrohungen nur wenig zu tun hat, um den Opferstatus einzufordern. Tatsächliche Bedrohungslagen werden somit zur Trivialität herabgestuft und schaden den wirklichen Opfern.

Nachdem Buhrow das Lied „missglückt“ genannt hat, hat er dafür gesorgt, dass ein Unglück selten allein kommt. Vielleicht ist er ja selbst für den WDR das Worst Case, der schlechteste anzunehmende (missglückte) Fall.

Mein Artikel erschien zuerst auf Tichys Einblick