Ab sofort wird scharf zurückgedroht! Der Berliner SPD-Abgeordnete Tom Schreiber verbittet sich auf das Schärfste jegliche Kritik am Hissen der Regenbogenflagge. Die Berliner Polizei hatte getwittert: „Als Zeichen für Mitmenschlichkeit und Respekt hissten heute die stellv. Leiterin der #Dir6, Frau Röder, und der dortige Ansprechpartner für #LSBTI, Herr Buder, die #Regenbogenfahne vor ihrem Dienstgebäude in #Marzahn. #HappyPride2019“

Auf dem dargebotenen Foto sieht man eine Flagge und keine Fahne, aber das sei einmal dahingestellt. Die angeordnete Maßnahme zur bunten Flaggenhissung rief die „Unabhängigen in der Polizei“ auf den Plan:

„Regenbogenflagge hinter amtlichen Wappen der @polizeiberlin. Klarer Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, das muss man auch scharf kritisieren. Offensichtlich hat das ^tsm die Funktion eines staatlichen Organs immer noch nicht verstanden.“

Nun ja, natürlicherweise darf man geteilter Meinung sein, ob es für staatliche Institutionen angebracht ist, solcherart Symbole vor seinen Dienstgebäuden anzubringen. Von Gelassenheit bis zu Kritik ist dabei alles möglich. Das liegt im wahrsten Sinn des Wortes in der Natur der Sache.

Die Sexualität eines Menschen ist in erster Linie Privatsache und keine staatliche Angelegenheit. Mir ist auch kein Fall bekannt, in dem ein Beamter aufgrund seiner Sexualität Nachteile in Kauf nehmen musste, es sei denn, damit waren Straftaten verbunden. Nur Letzteres erfordert eine Einmischung, bei der der Staat verpflichtet ist, zum Schutz seiner Bürger wirksam zu werden.

Nun aber hat sich seit mehreren Jahren der Berliner Senat den Minderheitenschutz ganz besonders auf die Fahne geschrieben. Berlin soll zur Regenbogenhauptstadt werden. Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden bilden dabei einen Schwerpunkt, währenddessen beispielsweise Schulgebäude verfallen und die personelle Ausstattungen rudimentär sind. Auch die Justiz vegetiert inzwischen auf dem Zahnfleisch vor sich hin. Der Senat setzt jedoch andere Prioritäten: Am 24. Juli 2019 wurden weitere 92 Maßnahmen für eine geschlechtliche und sexuelle Vielfalt beschlossen.

Die legitime Kritik am Hissen der Regenbogenflagge durch Berliner Polizisten, versucht man hingegen mit den üblichen Floskeln und Totschlagargumenten platt zu machen. So twitterte die Berliner Polizei: „Die Regenbogenflagge hängt immer wieder auch direkt vor unserem Polizeipräsidium. Ein Bekenntnis zu Werten wie Respekt, Mitmenschlichkeit, Gleichberechtigung und Toleranz schließt Neutralität nicht aus.“

Wumms, es wurde mit einer größtmöglich schweren Kanonenkugel auf die Zweifler geschossen. Geradezu ein Unmensch, wer kritisiert – wer kritisiert ist nämlich auch gleich gegen diese Werte. Damit versucht man natürlich jegliche Kritik schon im Keim zu ersticken. Das Motto lautet: „Sie kritisieren uns? Sind Sie etwa gegen die Menschenrechte und den Weltfrieden?!“ Derlei plumpe Totschlagargumente sind schwer in Mode gekommen.

Als Berliner Polizeibeamte 2006 zur Fußball-WM den Stolz auf ihre Deutschlandfahne dokumentieren wollten, war man deutlich einfältiger und intoleranter. Das würde gegen das „Neutralitätsgebot“ verstoßen, so eine Polizeisprecherin. In anderen Bundesländern sah man das allerdings nicht so. Eine weitere lebensfremde Berliner Aussage lautete: „… dass Einsatzkräfte etwa bei Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Anhängern keinesfalls für Fans gehalten werden dürften.“ Um dieses zu vermeiden, wurden global Uniformen erfunden und kreiert, an manchen prangte sogar das stolze Landeswappen. Weltweites Verstoß gegen das „Neutralitätsgebot“? Es wird langsam komisch.

Ein Erziehungswissenschaftler schlägt unter die Gürtellinie 

Aber man kann immer noch einen drauf geben. Ein besonders glorreiches Beispiel für „Respekt und Mitmenschlichkeit“ ist Tom Schreiber. Einst brach er seine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ab, um von 2001 bis 2014 ein Studium der Erziehungs- und Politikwissenschaft an der Universität Potsdam zu absolvieren. Der Sozialdemokrat ist außerdem Fördermitglied „Verein lesbischer und schwuler Polizeibediensteter Berlin-Brandenburg“ (VelsPol BB e.V.).

Gestehen wir Schreiber zu, dass er sich von der Kritik ganz persönlich angegriffen fühlt. Das wäre allerdings betreffs seiner Abgeordnetentätigkeit grenzwertig und unprofessionell. Denn Schreiber bedroht Berliner Polizeibeamte mit seiner folgenden Veröffentlichung (einschließlich der Rechtschreibung übernommen):

„Sollten hier Polizeibeamte tatsächlich irgendetwas von einem Verstoß gegen die Neutralität schreiben, Bitte ich um die Namen. Dann kümmert sich der unmittelbare Vorgesetzte & die Behördenleitung darum! Ich auch!@Queerspiegel @queer_de @KnuthKristian @VelsPol @GdPHauptstadt“

Donnerwetter! Ein sozialdemokratischer Hinterbänkler führt in Berlin die Polizei und bedroht kritische Polizeibeamte. Disziplinarvorgesetzter scheint er auch noch zu sein. In diesem Zusammenhang würden mich und andere tatsächlich Schreibers Dienstgrad und Dienststellung in der Polizei interessieren. „Polizeianwärter auf Abruf“?

Wer mutmaßliche private Befindlichkeiten mit seiner privilegierten Abgeordnetentätigkeit vermischt, läuft Gefahr, sich für ein politisches Amt zu disqualifizieren, da er die rechtsstaatliche Gewaltenteilung nicht verstanden hat. Selbst wenn das Hissen der Regenbogenflagge nicht gegen das Neutralitätsgebot verstößt, hat Schreiber in der Berliner Polizei nichts zu melden. Vielmehr geht es hier darum, Kritik zu unterdrücken und Ängste zu streuen. Davon muss man sich aber nicht zwangsläufig beeindrucken lassen.

Dieses Verhalten kennzeichnet ausdrücklich nicht einen demokratisch legitimierten Umgang mit anderen Auffassungen. Bedrohungen beherrschen vielmehr das ungeschriebene Gesetz der Straße. Durch ein dominant-martialisches Auftreten sollen Menschen klein gemacht werden. Als zertifizierter Trainer mit vielen Jahren Berufserfahrung empfehle ich dann immer, sich von solcher Art Imponiergehabe nicht erschüttern zu lassen. Schreiber hat in der Berliner Polizei nichts zu melden, um im sozialdemokratischen Jargon zu bleiben: „Und das ist auch gut so!“

Steffen Meltzer, Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr: So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf