Autor: Steffen Meltzer

In der Berliner Polizei sollen Vorgesetzte früher „rechtsradikale“ und „diskriminierende“ Einstellungen der Mitarbeiter erkennen. Das Landeskriminalamt hat eine 24-seitige Anleitung mit dem Titel erarbeitet: „Handreichung zur Stärkung der Handlungssicherheit im Umgang mit politisch-motiviertem Fehlverhalten“. Darüber berichtet die Berliner Zeitung in ihrer Printausgabe. Das Blatt schreibt weiterhin darüber, dass Wissenschaftler der TU Berlin bei der Hauptstadt-Polizei kein sogenanntes „Racial Profiling“ beobachten konnte, sie sind damit „weniger rassistisch als Politiker von Linkspartei, Grünen und Migrantenverbände unterstellen“.  Kein Wunder, wenn kaum jemand davon berichtet. Die Studie war unter dem Titel „Bericht zur Berliner Polizeistudie – Eine diskriminierungskritische, qualitative Untersuchung ausgewählter Dienstbereiche der Polizei Berlin“ kürzlich in verschiedenen Fassungen veröffentlicht worden. Die Schwerpunkte der Studie waren:

  1. „die Wahrnehmung der Polizei durch potentiell von Diskriminierungen und Rassismen
    Betroffene, erhoben durch Befragungen von Vertreter*innen entsprechender Beratungsstellen;
  2. der polizeiliche Arbeitsalltag mit dessen Routinen, Strukturen und Prozessabläufen, erhoben
    durch teilnehmende Beobachtung bzw. Begleitung.“

Es ging im ersten Punkt also nicht um die tatsächliche Diskriminierung, sondern um ein „gefühltes Erlebnis“ von potentiell Betroffenen. Subjektive Gefühle, Gefühle und nochmals Gefühle anstatt Sachebene. Da der Empfänger den Inhalt einer abgesendeten Nachricht bestimmt, liegt hier ein nicht aufzulösendes Problem vor. Will jemand aus einem Satz eine „Diskriminierung“ heraushören, gibt es in der „Diskriminierungserfassung“ erst einmal einen weiteren Strich in der Liste, egal wie die spätere Untersuchung ausfällt. So werden aus „Gefühlen“ Statistik-„Fakten“ gemacht.

Generell gehe ich davon aus, dass es eine breite gesellschaftliche Übereinstimmung darin gibt, das Rechtsextremisten und Personen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, in unserer Polizei nichts zu suchen haben. Deshalb erscheint es mir wichtig, diesen Extremismusbegriff auf jegliche politische Couleur, also auch auf die von Links, die des Islamismus und Mitglieder diverser Gruppen, beispielsweise der sogenannten „Grauen Wölfe“ auszuweiten. Außerdem bliebe zu beobachten, ob sich in Teilen der Klimabewegung radikale Kräfte etablieren, für die Anschläge zum „normalen Geschäft“ gehören. Auch diese Personen hätten in der Polizei nichts zu suchen, auch nicht als „Seminarkräfte“ von beauftragten Vereinen, die für die Polizei „Schulungen“ durchführen.

Ähnliche Papierlagen konnte ich in den zurückliegenden 20 Jahren mehrfach lesen, in denen bessere Arbeitsbedingungen, neue Stellen für die eigene Klientel, vermehrte Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen gefordert werden. Das ginge nur mit einem erheblichen polizeilichen Stellenaufwuchs und einem Vielfachen an Ärzten, Psychologen, ex- und internen Aus- und Fortbildern. Polizisten sind jedoch keine Sozialingenieure und auch kein Krisenkorrektiv der Politik. Irgendjemand muss auch noch für die klassische polizeiliche Arbeit auf der Straße übrig bleiben, zum Beispiel für den Straßenverkehr oder die Bekämpfung und Verfolgung von Straftaten. Damit sich tatsächlich etwas ändert, müsste eine Studie über die Maßstäbe in der herrschenden Politik mit dem Ziel  erstellt werden, warum die Kranken- und Suizidrate bei der Polizei größer als beim durchschnittlichen Anteil der Bevölkerung ist. Die macht aber keiner. Deshalb will ich es mit dieser „Studie“, die nur Symptome bewertet, aber die Ursachen außen vor lässt, bewenden lassen.

Es geht vor allem um das Ansehen

Die Berliner Zeitung berichtet darüber, dass es um das Ansehen einer Behörde schnell geschehen sein kann, wenn die Medien über vermeintliche oder echte Fälle von Diskriminierung berichten. Angeführt wird dabei der „Fall“, als zwei Polizeibeamte einen Haftbefehl wegen mehrerer Erschleichungen von Leistungen und eine Gefährderansprache in der Wohnung eines syrischen Ehepaares umsetzen wollten. Der circa halbstündige Einsatz wurde heimlich mitgefilmt, davon gelang ein kleiner Bruchteil an die Öffentlichkeit. Einer der eingesetzten Polizeibeamten sah sich daraufhin eine Welle medialer und politischer Vorverurteilungen ausgesetzt. Sogar die eigenen Kollegen der Berliner Twitterpolizei stimmten in den vorschnellen Chor der Empörung ein und verkündeten in Arbeitgebermanier dienstrechtliche Maßnahmen. Ich hatte darüber berichtet.

Natürlich sollen und dürfen sich Polizeibeamte nicht rassistisch äußern. Jeder kann jedoch unschuldig in einen diesbezüglichen Verdacht hineingeraten. Jede einzelne Silbe und Geste danach abzuwägen, dass sich niemand verletzt fühlen könnte, ist schlicht ein Ding der Unmöglichkeit und lebensfremd. Erst recht im polizeilichen Einsatz, zumal wenn Verständigungsschwierigkeiten durch eine verschiedene Sprache und Kultur gegeben sind und erhebliche Gefahrenmomente eine Rolle spielen. Die sich daraus ergebende Frage ist jedoch: Warum beachten identitätsfixierte Politiker und die auflagenaffinen Medien nicht die rechtsstaatlich gebotene Unschuldsvermutung und faire Berichterstattung? Warum müssen Polizeibeamte, die unter den schwersten Bedingungen ihren täglichen Dienst verrichten müssen, auf die Auflagen der Medien und Wahlbefindlichkeiten von Politikern Rücksicht nehmen? Warum stellen sich die Behördenleitungen im Sinne des Beamtengesetzes („Obhuts- und Fürsorgepflicht“) nicht solange vor die Beamten, bis deren Schuld bewiesen ist? Das wäre doch auch eine Möglichkeit. In einer sich immer mehr zergliedernden subkulturellen Gesellschaft werden sich immer mehr Menschen angegriffen fühlen, wenn sie ihren individuell-ausgeprägten Willen nicht kompromisslos durchsetzen können. Das ist politisch so gewollt. Einfacher ist dagegen immer, bei Problemen mit beiden Zeigefingern auf das letzte Glied in der Befehlskette zu zeigen. Das sind die herbeigerufenen Polizisten.

Ein unmenschlicher Schachtelsatz

In der LKA-Ausarbeitung soll festgeschrieben sein, dass Führungskräfte auf „Galgenhumor, Zynismus und derbe Sprache achten“ sollen, da Polizisten vielen Anfeindungen, Beschimpfungen und Stress ausgesetzt seien. Auftretende Emotionen zu verbieten, ist ein sicheres Stilmittel, um den ohnehin sehr hohen Krankenstand noch weiter ansteigen zu lassen. Woke Stuhlkreise und gemeinsames Singen zum Stressabbau sind in der Vor- und Nachbereitung von Einsätzen in der Polizei unüblich.

Diesmal soll ausdrücklich der präventive Ansatz verstärkt werden. Wörtlich heißt es: „Dort wo das Bewusstsein für die Tatsache  schwindet, dass polizeiliche Einsatzerfahrung vielfach eine Negativauslese gesellschaftlicher Realitäten ist, Verallgemeinerungen zum vereinfachten Erklärungsmuster dienstlichen Erlebens werden, die Interpretations- sowie Urteilsfähigkeit getrübt wird und sich Frust, Stress und Überlastung in verrohter Sprache und unangebrachten Witzen Bahn brechen, gilt es frühzeitig einzugreifen, um sich dieser Entwicklung bewusst zu werden und aktiv gegenzusteuern.“

Dieser endlos lange Schachtelsatz liest sich wie eine Direktvorlage eines linken Soziologen und ich vermute, das ist sie auch. Ein Germanist kann der Verfasser jedenfalls nicht sein. Einem Feuerwehrmann wird man auch nicht erklären müssen, dass nicht jeden Tag eine Stadt abbrennt. Und der römische Kaiser Nero ist auch schon vor ein paar Tagen verstorben, zumal es sich lediglich um das gestreute Gerücht seiner Gegner handeln soll. Aber Polizeibeamte meint man darauf aufmerksam machen zu müssen, dass nicht alle Menschen Straftäter oder Verkehrsunfallverursacher sind, die nicht jeden Freitag betrunken im Straßengraben die Nacht verbringen und anschließend ihre Frauen zu Hause verprügeln. Die Frage, die sich für mich daraus ergibt, lautet: Was haben die Führungskräfte in diesem LKA für ein getrübtes Bild über die eigenen Kollegen, die den größten Teil ihres Lebens außerhalb des Dienstes als kulturell und sportlich engagierte und Familienmenschen mit den eigenen Kindern verbringen?

Marcel Luthe, Vorsitzender der Good Governance Gewerkschaft, hat dazu eine klare Meinung: „Wer eine ‚derbe Sprache‘ oder ‚Galgenhumor‘ als ‚politischen Extremismus‘ gleichsetzt, ist eine völlige Fehlbesetzung und offenbar mit dem Grundgesetz nicht vertraut. Die Grenze des Grundrechts und der Meinungsfreiheit setzt das Strafrecht, kein wokes Gefühl“.

In der Gewerkschaft sind inzwischen auch Polizisten organisiert.

Nachtrag: Rainer Wendt, Vorsitzender der DPolG: „In Berlin sind junge Männer aus der Türkei, dem Irak oder dem Libanon nicht selten in Straftaten verwickelt.“ Wenn diese Personen als ‚Westasiaten‘ bezeichnet werden, verwische dies die Lebenswirklichkeit.“ (…) …solche Empfehlungen „wie eine Verhöhnung der Belegschaft“.

Der Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries (48, CDU): „Die Berliner Polizisten haben Vertrauen und politische Rückendeckung verdient statt eines links-grünen Sprachkodex. Es wird nichts besser, wenn man die Dinge nicht beim Namen nennt.“

Alexander Throm (54, CDU), Innenpolitischer Sprecher Unionsfraktion: „Falsch verstandene Rücksichtnahme von Rot-Rot-Grün ist bei einer Täterbeschreibung fehl am Platz. Eine Beschreibung müsse objektiv zutreffend und für alle verständlich sein. Das beinhaltet auch alle äußeren Merkmale eines Täters oder einer Täterin“.

Steffen Meltzer, Herausgeber von „Die hysterische Republik“

Eine Version meines Beitrages erschien auf Tichys Einblick