von Prof. Dr. Wolfgang Meins

Im vergangenen Jahr stiegen die Fälle von Messergewalt in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um über 30 Prozent an.

Noch kurz vor der Präsentation dieser Zahlen hatte ein aus Holland eingereister syrischer Migrant in einem Supermarkt in Wangen im Allgäu auf ein vierjähriges Mädchen eingestochen. Anschließend passierte das bei solchen Taten mittlerweile fast Erwartbare: die vorläufige, geschlossene Unterbringung des Beschuldigten in der (forensischen) Psychiatrie.

Rechtliche Grundlage für diese Vorgehensweise ist ein sogenannter Unterbringungsbefehl, eine einstweilige richterliche Anordnung, wenn der dringende Verdacht besteht, dass es sich hier um einen schuldunfähigen beziehungsweise vermindert schuldfähigen Täter handelt. Mithilfe des Unterbringungsbefehls soll die Allgemeinheit vor dem Beschuldigten während der gesamten Ermittlungen sowie während des Prozesses geschützt werden. Bestätigt sich die Schuldunfähigkeit aufgrund einer schweren psychischen Störung – meist eine Schizophrenie –, verbleibt der Täter in der forensischen Psychiatrie, dem sog. Maßregelvollzug. Wobei das Gericht keine Höchstdauer für diesen Vollzug festlegt, denn eine Entlassung kommt grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn von dem Täter keine Gefahr mehr ausgeht.

Für Politik und Behörden hat ein solches Verfahren zweifelsohne den Vorteil, dass mit der Unterbringung Medien und Öffentlichkeit völlig außen vor bleiben können, abgesehen vielleicht von einer irgendwann erfolgenden Mitteilung über den mittlerweile bestellten psychiatrischen Sachverständigen oder den nun terminierten Prozess. Auch dabei kann wiederum die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Am Ende bleibt dann oft nur eine schüttere Gerichtsmitteilung zum Urteil, und der Täter landet in irgendeiner der 78 forensisch-psychiatrischen Kliniken in Deutschland.

Verbreitete Skepsis

Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass einer solchen Rechtspraxis vielerorts mit Skepsis begegnet wird und dabei nicht selten der Verdacht mitschwingt, dass Gerichte und eine weisungsgebundene Staatsanwaltschaft unter politischem Druck geneigt sein könnten, bestimmte migrantische Taten zu psychiatrisieren, auch um den Fall rasch der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion zu entziehen. Ob das tatsächlich vorkommt, weiß ich nicht.

Aber so ganz undenkbar erscheint es nicht, angesichts der Brisanz vieler Fälle. Das alles sollte aber nichts daran ändern, dass es sich zumindest bei dem Konstrukt der Schuldunfähigkeit samt daraus abgeleiteten rechtlichen Konsequenzen um eine im Grundsatz gebotene Herangehensweise handelt. Schließlich macht es einen erheblichen Unterschied, ob ein Mörder etwa aus Habgier oder aus islamistischen Motiven handelt oder aber unter dem unentrinnbaren Einfluss von Wahnideen und befehlenden halluzinierten Stimmen, die ihn zu seiner Tat quasi zwingen.

Das Misstrauen von Teilen der Öffentlichkeit gegenüber diesem forensisch-psychiatrischen System wird sicherlich auch durch eine unzureichende Informationspolitik gefördert. So gibt es seit geraumer Zeit beispielsweise keine offiziellen jährlichen Statistiken mehr über Anzahl, Dauer und Grund der in der Forensik untergebrachten Straftäter und natürlich schon gar nicht nähere Angaben zu Herkunft, Alter und Diagnosen. Geschweige denn zu relevanten Problemen hinter den forensischen Mauern und Zäunen.

Die Situation im deutschen Maßregelvollzug

Diese Lücke versucht eine 2021 erfolgte und – warum auch immer – erst kürzlich erschienene Erhebung der einschlägigen Fachgesellschaft zumindest teilweise zu schließen. Die wesentlichen Ergebnisse im O-Ton: „Von den 78 angeschriebenen Einrichtungen partizipierten 45 (58 Prozent) an der Umfrage zumindest teilweise. Die Mehrzahl der Kliniken (68,5 Prozent) beklagte eine deutliche Überbelegung. Es wurde ein deutlicher Mangel von Personal und Räumen berichtet, zugleich wurde angegeben, dass Patienten keine angemessene Behandlung erhalten.

Etwa jeder 5. Patient war länger als 10 Jahre im MRV (Anm.: Maßregelvollzug) untergebracht. Jede 3. Klinik berichtete eine steigende Zahl an körperlichen Übergriffen durch Patienten.“ Der Anteil von Patienten mit Migrationshintergrund „an der Gesamtbelegung variierte zwischen den Kliniken sehr, lag im Mittel bei 31,9% (n = 1621) mit einer erheblichen Spannweite von 3,4–63,4 Prozent und bei einem Süd-Nord- und West-Ost-Gefälle.“

Demnach waren also bereits vor drei Jahren, für den kritischen Beobachter keinesfalls überraschend, Patienten mit „Migrationshintergrund“ in der forensischen Psychiatrie deutlich überrepräsentiert, hochwahrscheinlich mit seitdem steigender Tendenz. Scheinbar passend dazu, versuchen Medien und Wissenschaftler seit vielen Jahren ihrem Publikum z.B. weiszumachen, dass von den Asylsuchenden in Deutschland rund eine Million unter posttraumatischen Belastungsstörungen oder Depressionen leiden. Für solche Behauptungen gibt es allerdings keine fundierte Grundlage. Zudem sollte man wissen, dass diese Diagnosen so gut wie nie eine Schuldunfähigkeit und eine daraus abgeleitete Unterbringung des Täters – ob Migrant oder nicht – im Maßregelvollzug begründen können.

Migranten haben ein erhöhtes Schizophrenie-Risiko

Der wesentliche Grund für die Überbelegung der hiesigen forensischen Kliniken dürfte sein, dass die mittlerweile seit nunmehr zehn Jahren anhaltende Migrantenwelle überproportional viele Personen mit Schizophrenie bzw. der entsprechenden Krankheitsanlage nach Deutschland gespült hat. Hochrangige Studien konnten übereinstimmend immer wieder zeigen, dass die hier interessierende Migrantenpopulation – je nach Herkunftsland oder -region – ein etwa zwei- bis dreifach erhöhtes Schizophrenie-Risiko mitbringt. Also nicht das übliche Lebenszeit-Erkrankungsrisiko von etwa 0,7 Prozent, sondern ein entsprechend höheres, wobei Männer einige Jahre früher erkranken als Frauen. Zum besseren Verständnis sei noch darauf hingewiesen, dass Schizophrenie zu 60 bis 80 Prozent genetisch determiniert ist.

Leider stellt sich die deutsche (universitäre) Psychiatrie nicht vorurteilsfrei den damit verknüpften wissenschaftlichen Fragestellungen. Wenn überhaupt, dann scheint allen Ernstes Diskriminierung und Rassismus in der Aufnahmegesellschaft für die wesentliche Ursache gehalten zu werden, die eine entsprechende (genetische) Krankheitsdisposition bei den Migranten scharfstellt und so die hohen Schizophrenie-Fallzahlen erklärt. Selbst eine so klassische und vergleichsweise übersichtliche Fragestellung wie die nach den bei hiesigen Migranten aus muslimischen Ländern oder Subsahara-Afrika vorherrschenden Wahnthemen wird nicht bearbeitet.

Dabei ist das keine ganz unwichtige Frage, da vor allem die Entwicklung eines Verfolgungswahns – im Vergleich zu anderen Wahnthemen – in besonderer Weise mit Gewalt und Tötungsdelikten verknüpft ist. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass gerade Verfolgungswahn bei der hier interessierenden Migrantenpopulation besonders häufig vorkommt, unter anderem weil sich die Aufnahmegesellschaft auf Grund ihrer Fremdheit und der dort herrschenden Ungläubigkeit als feindliche Projektionsfläche für viele geradezu aufdrängt.

Fehlende Beforschung von Risiken

Eine naheliegende Erklärung für die (auch) bei psychisch kranken migrantischen Straftätern besonders verbreitete Messergewalt wäre zudem, dass die meisten in ihren Herkunftsländern eine deutlich gewalt- und messeraffinere Sozialisation erlebt haben und diese mit dem Grenzübertritt oder dem Besuch eines Integrationskurses leider nicht immer ablegen. Bisher hat sich zur Erklärung des ungewöhnlich hohen Schizophrenie-Risikos der typischen Migrantenpopulationen in westlichen Ländern nach meinem Kenntnisstand noch niemand wissenschaftlich näher mit zwei eigentlich äußerst naheliegenden Hypothesen beschäftigt.

Erstens, ob der überzeugend belegte und zudem starke Schizophrenie-Risikofaktor (niedriger) Intelligenz hier möglicherweise eine besondere Rolle spielt und, zweitens, ob der Aufbruch aus der Heimat ins gelobte Land nicht vielleicht überproportional häufig gerade solche Personen einschließt, die zwar noch keine manifeste Schizophrenie entwickelt haben, aber die entsprechende Disposition dafür besitzen oder vielleicht auch schon erste, unspezifische Anzeichen.

Mit dem Intelligenzproblem habe ich mich bereits an anderer Stelle auseinandergesetzt, beschäftigen wir uns also hier, in der gebotenen Kürze, mit dem zweiten. Der akuten Schizophrenie-Symptomatik geht in den meisten Fällen ein mehrjähriges sogenanntes Prodromal-Stadium voraus, bei Männern typischerweise so um das 20. Lebensjahr herum. Es ist geprägt durch recht unspezifische Symptome, die eine sichere Diagnose noch nicht erlauben, wie z.B. sozialen Rückzug, Leistungsabfall, Unruhe, Misstrauen, Adynamie. Die gängige Lehrmeinung dazu ist, dass solche Symptome letztlich nicht vereinbar sind mit Planung und erfolgreicher Durchführung von Flucht oder Migration. Meine Meinung dazu in aller Kürze: Kann sein, kann auch nicht sein – sollte vielleicht mal beforscht werden.

Neue diagnostische Möglichkeiten

Und das ließe sich heutzutage auch ohne allzu großen methodischen Aufwand machen. Es besteht mittlerweile nämlich die Möglichkeit, eine genetische Schizophreniebelastung, also die entsprechende Krankheitsanlage, auf der Grundlage von Speichelproben zu bestimmen. Dabei handelt es sich nicht um eine diagnostische Option für den Einzelfall, sondern für Gruppen bzw. Stichproben. Das gilt im Übrigen ganz ähnlich auch für den IQ, für den ebenfalls ein zwar noch nicht perfekter, aber durchaus aussagefähiger DNA-Score – auch als polygener Risikoscore (PRS) bezeichnet – entwickelt wurde.

Bisher herrscht die Lehrmeinung eines weltweit recht identischen Schizophrenie-Erkrankungsrisikos. Es ist nicht auszuschließen, dass durch die zunehmende Anwendung einer (auch) genetisch basierten Diagnostik diese Einschätzung künftig revidiert werden muss. Zumal es seit jüngstem einen ersten solchen Hinweis gibt: Im Rahmen einer sehr breit angelegten Studie mit zahlreichen Fragestellungen – auf die mich ein Kollege aufmerksam machte – konnte die These eines weltweit ganz überwiegend gleich hohen Schizophrenie-Risikos zwar nicht widerlegt, dazu sind die Fallzahlen zu gering, aber doch infrage gestellt werden.

Diese Studie erfolgte allerdings nicht am lebenden Subjekt, sondern an bereits Verstorbenen, unter Verwendung von verschiedenen polygenen Risikoscores, wie sie in entsprechenden Datenbanken mittlerweile zur Verfügung stehen bzw. von dort extrahiert werden können. Die Autoren interessierte dabei die zeitliche und geografische Evolution verschiedener sozialer, psychologischer und medizinischer Merkmale, darunter auch der Schizophrenie, während der letzten 12.000 Jahre. Das für unsere Belange interessanteste Ergebnis (Abb. S21) ist Folgendes: Die höchste genetische Belastung für Schizophrenie zeigte sich – unter 23 ansonsten überwiegend europäischen Regionen – für Middle East und den Irak. Ob eine gezielte Bestätigungsstudie am lebenden Subjekt eine echte Chance auf Finanzierung und ggf. Veröffentlichung hätte, darf getrost bezweifelt werden.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich. Prof. Meins ist Mitautor des Buches „Die hysterische Republik“

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