Den Klimawandel gibt es nur noch als Klimakrise, und die Furcht davor wird kräftig geschürt. Kein Wunder, wenn gerade junge Menschen deswegen Angstsymptome oder gar eine ausgewachsene Angststörung entwickeln.

Im Vorfeld der Klimakonferenz von Glasgow tönten unüberhörbar und aus nahezu jeder medialen Pore die apokalyptischen Botschaften der Klima-Alarmisten. Da kann es nicht verwundern, dass parallel dazu auch die Beschäftigung mit der sogenannten Klima-Angst deutlich an Fahrt aufnahm. Hier eine kleine Auswahl: Das British Medical Journal thematisiert eine Befragung englischer Kinderpsychiater, nach der 57 Prozent ihrer Patienten wegen der Klimakrise „besorgt“ seien.

Im Deutschlandfunk heißt es: „Forschende warnen vor steigender Klima-Angst“. Beim SWR geht es um „Klimaangst – Wie sie motiviert und wann sie lähmt“, in der SZ um „Klimawandel: Angst vor der Zukunft“ oder auch „Klimaangst: Mehr Wut, bitte“. Sogar die ausgesprochen renommierte wissenschaftliche Fachzeitschrift Journal of Anxiety Disorders widmet sich dem Thema und stellt dafür nicht nur das ganze Dezemberheft 2020 zur Verfügung, sondern auch den einführenden Artikel frei zugänglich ins Netz – wozu sich der Verlag sonst nur sehr selten hinreißen lässt.

Einige Gemeinsamkeiten

All diesen Einlassungen zur Klima-Angst ist einiges gemeinsam: Den Klimawandel gibt es nur noch als Klimakrise, und die wiederum ist nicht nur in ihren Grundannahmen, sondern auch den feineren wissenschaftlichen Verästelungen so was von durch und gesettled. Zu dieser Thematik muss man sich deshalb als Journalist, wissenschaftlich tätiger Psychologe oder Psychiater nun wirklich keine, aber überhaupt keine eigenen Gedanken mehr machen. Kurz gesagt: Es wird hier einem Wahrheitsanspruch gehuldigt, der sich u.a. berechtigt glaubt, den sogenannten Klimaleugnern zu unterstellen, dass sie mit einer solchen Meinung bzw. „psychologischen Reaktion“ lediglich ihre Angst vor dem Klimawandel „verleugnen“ würden.

Zu den Selbstverständlichkeiten des Klimawandels gehört für alle Autoren – ohne jeden Vorbehalt – die bombenfeste kausale Koppelung von sämtlichen Extremwetter-Ereignissen samt ihren (tatsächlichen oder vermeintlichen) Folgen wie Waldbränden, Überschwemmungen und Ernteausfällen, an den menschengemachten Klimawandel. Diese Verknüpfung oder Attribuierung von bestimmten Wetterphänomenen mit dem angeblich dafür immer ursächlichen Klimawandel ist allerdings, das muss neidlos anerkannt werden, ein genialer Propaganda-Schachzug, den es in seiner heutigen, apodiktischen Form eigentlich noch gar nicht so lange gibt. Nach meiner Einschätzung nämlich erst seit gut zwei Jahren: Hand in Hand mit der vom englischen Guardian lancierten Aktion „It’s a crisis, not a change“. Denn immer nur zu hören, es bestehe ein Wandel, der in vielleicht 30 Jahren, so wir nicht das Notwendige unternehmen, zu einer gewissen Erwärmung führen wird, haut die meisten Menschen nun mal nicht vom Hocker – jedenfalls nicht anhaltend. Dramatische Wettereignisse dagegen, die ja fast immer irgendwo auf der weiten Welt und ab und zu sogar in der Nähe anzutreffen sind, eignen sich in den Zeiten von TV und Internet wesentlich besser, um starke und anhaltende, meist ängstlich getönte Emotionen auszulösen.

Ein Dilemma

Angesichts des nahezu allgegenwärtigen alarmistischen Weltuntergangs-Getöses muss man sich eigentlich doch nicht wundern, wenn gerade junge oder entsprechend prädisponierte Menschen deswegen Angstsymptome oder gar eine ausgewachsene Angststörung entwickeln. Zumal ja der zu solchen Reaktionen neigende Mitbürger eher nicht mit einem ausgeprägten Optimismus dafür ausgestattet ist, dass sich alles doch noch irgendwie richten wird. Da befinden sich unsere Wissenschaftsjournalisten und Psychowissenschaftler folglich in einem gewissen Dilemma, denn im Kern haben wir es hier schlicht mit einer Entwicklung zu tun, die sich mit der beliebten Kurzformel „geliefert wie bestellt“ recht gut auf den Begriff bringen ließe.

Aber diese naheliegende Erklärung ist natürlich vollkommen tabu und findet sich entsprechend in keinem der oben genannten Artikel oder Rundfunkbeiträge. In einigen davon wird es für notwendig gehalten, aus der Masse der Geängstigten zunächst die unter einer tatsächlichen Angststörung Leidenden herauszufischen und einer Psychotherapie zuzuführen. Das ist aber bloß eine Pflichtübung. Denn eigentlich geht es um etwas anderes, nämlich die Betroffenen zu ermahnen, bloß nicht von der Fahne zu gehen: „Es ist okay, Angst davor zu haben“, gibt sich der Deutschlandfunk anbiedernd einfühlsam. Aber als Einzelperson ließe sich die Krise nicht lösen. „Daher lohnt es sich, weiter auf die Straße zu gehen, zu demonstrieren und weiter aktiv zu sein.“ Diese Art einer im Kern linksradikalen Argumentation zieht sich, mehr oder weniger, durch alle Beiträge. Aus der Krankheit – oder Befindlichkeitsstörung – soll eine Waffe im Klimakampf werden.

Wie häufig ist das Problem wirklich?

Eine wesentliche Währung für die Relevanz einer Krankheit, Störung oder auch nur Auffälligkeit ist deren Häufigkeit. Hilfreich in diesem Zusammenhang ist folglich eine möglichst breite und an den Rändern nur unscharf begrenzte Falldefinition. Dieses Kunstgriffes bedient sich auch der Autor des einleitenden Kapitels im Journal of Anxiety Disorders: Das erste Teilkollektiv der Klima-Psychoopfer rekrutiert sich aus den von Extremwetter direkt Betroffenen, bloßen Zeugen solcher Ereignisse und allen dadurch irgendwie in Mitleidenschaft Gezogenen – etwa wegen geschlossener Schulen und Supermärkte oder nicht erreichbarer Arztpraxen. Es folgen als zweite Gruppe Schneeflöckchen und ihre Kampfgefährten, wenn etwa ängstigende Gedanken an den unaufhörlich steigenden Meeresspiegel am Einschlafen hindern. Komplettiert werden die Psychobataillone von den mit großer Selbstverständlichkeit erwarteten Heerscharen an Klima-Flüchtlingen, mit ihrer seelischen Pein in Folge des Verlusts von Hab und Gut und der Flucht. Psychologie und Psychiatrie wittern hier ganz offensichtlich große und moralisch hoch bedeutsame neue Betätigungsfelder, verbunden mit der Möglichkeit, endlich in großem Umfang auch von den üppig sprudelnden Klimaschutz-Fördermitteln profitieren zu können.

Allerdings stellt sich die Frage, ob es überhaupt halbwegs belastbare Untersuchungen zur Häufigkeit von so etwas wie Klima-Angst gibt? Nein, die gibt es nicht wirklich. Denn selbst wenn dieses Phänomen enger gefasst wird, bliebe es schlecht definiert in Bezug auf die Grenze zwischen bloßer Befindlichkeits- und krankheitswertiger Störung. Trotz dieser Probleme hat die immer noch hochangesehene englische medizinische Fachzeitschrift Lancet jüngst eine Untersuchung zur Häufigkeit von Klima-Angst veröffentlicht. Man sollte dazu allerdings wissen, dass Lancet auf dem besten Wege ist, eine vergleichbare Entwicklung wie der FC St.Pauli zu nehmen: Politbüro mit angeschlossener Fußballabteilung bzw. seriösem Medizinteil. Die hier interessierende Untersuchung lässt sich wahlweise entweder der politischen Abteilung oder der Rubrik „Wissenschafts-Schrott“ zuordnen.

Ein fast ausschließlich weibliches Autorenteam hat eine Internet-Befragung zur Ausprägung von verschiedenen Sorgen zum Klimawandel in zehn Ländern, davon sechs westlichen, bei insgesamt 10.000 jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren auf den Weg gebracht. Wer zuerst kam, mahlte zuerst, nach 1.000 beantworteten Fragebögen war für das jeweilige Land jeweils Schluss. Nicht zuletzt deshalb können die Ergebnisse natürlich nicht als repräsentativ gelten. Aber die Autoren fanden, was sie suchten: eine Mehrheit aller Befragten von 59 Prozent, die sich als „extrem“ oder „sehr besorgt“ wegen des Klimawandels einstuft. Fast ein Drittel (32 Prozent) allerdings stimmt der Klimawandel „optimistisch“. Es bleibt dem Leser vorbehalten, zu entscheiden, ob sich dieser Optimismus nun auf den Endsieg im Klimakampf bezieht oder doch eher von der Hoffnung auf wärmere Sommer und mildere Winter getragen wird.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich. Prof. Meins ist Mitautor des Buches „Die hysterische Republik“.

Der Beitrag erschien zuerst auf achgut.com


Anm. Steffen Meltzer: Bei Gastbeiträgen handelt es sich um persönliche Meinungen der jeweiligen Autoren, nicht um meine. Die Bewertungen überlasse ich erwachsenen und mündigen Lesern. Meiner Kommentare bedarf es dazu nicht.