von Steffen Meltzer

Dirk Peglow, Vorsitzender des BDK (Bund Deutscher Kriminalbeamter) sitzt am 5. April 2023 bei Markus Lanz im ZDF und spricht über die zunehmende Gewaltbereitschaft: Er beschreibt das als eine „…zunehmende Eskalation von verbalen Attacken gegen Polizeikräfte, die eingesetzt sind“ (…), handelnd in geschützten Tätergruppen. Dann sagt er mit erhobenem Zeigefinger (ab Minute 25:40): „Ich kann Ihnen aber sagen, woher es nicht kommt, also Kriminalität ist nicht eine Frage der Herkunft, sondern eine Frage der Sozialisation, des Milieus, in dem man sich bewegt und der Freunde, die man hat! Das sollten wir auch immer wieder sagen, wenn wir über das Thema Flüchtlings,- Ausländerkriminalität und ähnliche Punkte sprechen.“

Sein Blick geht dabei Anerkennung fordernd in die Runde. Dann führt er die tatsächliche kriminologische Binsenweisheit an, dass junge Männer zwischen 17 und 27 Jahren eher dazu neigen, Straftaten zu begehen, und das trifft ebenso auf Deutsche zu. Er will das Thema mit „ganzen Sätzen“ besprechen. Mehr kann sich ein Experte in wenigen Sätzen kaum selbst widersprechen.

Nun ja, Schuld ist immer individuell und nicht kollektiv. 

Was er dabei meines Erachtens fahrlässig weglässt, sind die real existierenden archaischen Familienstrukturen, Integrationsverweigerungen, sprachliche Missverständnisse, die schnell explodieren können, teilweise unrealistische Erwartungshaltungen an das Gastgeberland, die sich als gewaltige Frustrationen entladen können. Die (teilweise kaum vorhandene) Schulbildung, die religiöse Vereinnahmung, das Erlernen von Konfliktbewältigungsmechanismen mit einer anderen Gewaltschwelle mit oder ohne Waffeneinsatz (nicht nur in Kriegsgebieten), bei denen „Respekt“ und „Ehre“ verteidigt werden. Nicht zu vergessen jahrhundertalte Auffassungen über die Geschlechterrollen. Es ist eben leider nicht selbstverständlich, dass Männer beispielsweise Polizistinnen und Lehrerinnen ihrer Kinder akzeptieren. Und wer glaubt, in den Herkunftsländern gäbe es keinen Rassismus, glaubt vielleicht auch, dass sich Wölfe in den deutschen Wäldern vegan ernähren. 

Es geht um andere Lebensentwürfe aus anderen Lebenskulturen, die den Einheimischen hierzulande oft fremd sind. Das sind weit mehr als nur das unmittelbare Milieu oder die jeweiligen Kumpels. Dadurch können jede Menge Konfliktstoffe entstehen, die sich eruptiv entladen können.  

Eine soziologische Binsenweisheit wäre es auch, darauf explizit zu verweisen, die Probleme ans Tageslicht zu holen, um sie besser bearbeiten zu können, anstatt darüber ständig hinwegzugehen. Das wären dann „ganze Sätze“. Wenn es um Einheimische, vor allem um Sachsen geht, ist man übrigens traditionell viel weniger „kultursensibel“ mit gruppenbezogenen Schuldzuweisungen.

Der Anstieg der Kriminalität hat auch etwas mit uns als Gemeinwesen zu tun. Täter suchen sich fast immer schwache Opfer aus, von Ausnahmen einmal abgesehen. Jede nicht gesühnte Tat stärkt deren antisoziales Verhalten. Das Motto: „Bist Du schwach, bin ich dreist, frech, kriminell und werde es garantiert wieder tun. In immer kürzeren Abständen immer intensiver!“ Das trifft natürlich für deutsche und ausländische Straftäter zu. Wenn nicht zeitnah angeklagt wird (wie im Ausland), weil jahrelang Justizpersonal eingespart wurde, schwächt das die Bürger und stärkt die Täter. Wer sich Gewalt im Alltag aus „kultureller Rücksichtnahme“ antun lässt und auf das Hinzuziehen der Polizei verzichtet, oder schlicht davor Angst hat, in die falsche Ecke gerückt zu werden, muss sich über gesamtgesellschaftliche Negativtendenzen nicht wundern.

Hier ein Negativbeispiel aus einer Kindertagesstätte: Focus-Überschrift: „Du mir nix sagen, du deutsch!“: Zoff mit Migranten-Jungs im Kindergarten. Ich würde in diesem und ähnlichen Fällen den Erzieherinnen kein Versagen vorwerfen. Das Problem liegt in der Führungsunkultur. Mir sagte ein libanesischer Familienvater einst über das Auftreten einiger seiner jugendlichen Landsleute, die machen es hier, weil sie es können und gemerkt haben, denen passiert nichts. Zu Hause würden die sich das nicht erlauben.

Der hierzulande oft angewandte moralische und verständnisvoll-erhobene Zeigefinger hat nur ein Ergebnis: das Auslachen der Gutmeinenden und Alteingesessenen. Wer Kriminalprävention zum politisch korrekten, aber unkonkreten und allgemeinen Aktionismus umschreibt, muss sich nicht wundern, wenn seine Maßnahmen ergebnislos bleiben. Wir brauchen auch keine strengeren Gesetze, wir benötigen die Ausschöpfung des Strafrahmens. Kein Täter denkt im Moment der Tatausführung daran, ob seine Handlung gemäß Strafgesetzbuch mit einem, drei oder fünf Jahren Haftstrafe sanktioniert wird. 

Wer über seine ungefilterten Grenzen Millionen junge Männer ohne Papiere und Asylgrund in die EU und damit Deutschland lässt, muss sich nicht wundern, wenn dabei als ein Nebeneffekt die Kriminalitätsstatistik ansteigt. Alles andere wäre nach den Worten des BDK-Vorsitzenden geradezu verwunderlich. Von der tatsächlichen Kriminalitätsbelastung (Dunkelfeld) einmal ganz abgesehen, da viele Straftaten gar nicht zur Anzeige kommen und damit für die Polizei im Verborgenen bleiben. Wer es zulässt, dass abgeschobene Intensivtäter ein zweites Mal die durchlässige Grenze illegal überschreiten und erneut Straftaten begehen, muss sich auch nicht wundern. 
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Wir sollten auch nicht mit notorischen Klimablockierern verhandeln, wie es manche Oberbürgermeister leider tun. Wir sollten nicht Kriminelle als Aktivisten verharmlosen. 

Wer pauschalisierend die Polizei jahrelang unter einen üblen Generalverdacht stellt und bekämpft, muss sich nicht wundern. Wer als Beamter unter dem Negieren der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung öffentlich zum Abschuss freigegeben wird (ja doch, es gibt auch Polizisten, die überziehen), wird naturgemäß das nächste Mal lieber wegschauen, wenn er nachts weiter ruhig schlafen und seine Familie ernähren will. 

Niemand muss so tun, als wäre Corona schuld daran, dass da plötzlich ein Plus von 11,5 Prozent in der PKS von 2022 steht. Aber natürlich haben völlig überzogene Maßnahmen und Strategiepapiere unter freundlicher Mitarbeit eines Mao-Bewunderers gerade bei Kindern und Jugendlichen (angeblich verantwortlich, wenn die Großeltern sterben) zu Schäden in der Persönlichkeitsentwicklung geführt. Das bedeutet jedoch nicht im Umkehrschluss, dass Menschen mit psychischen Störungen oder Erkrankungen kriminell werden müssen. Auch der Klimawandel ist nicht an der zunehmenden Gewaltkriminalität schuldig, wie uns der WDR eintrichtern will.

Über politische und individuelle Verantwortung für den Anstieg der Kriminalität war in der Lanz-Sendung nichts zu vernehmen, wie auch sonst im öffentlichen Diskurs nicht. So bleibt es bei viel Lärm um nichts.

Steffen Meltzer ist Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr

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