Steffen Meltzer

Der Jurist Pieter Schleiter, Richter am Landgericht Berlin, hat wegen der Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern zur Eindämmung von Sars-CoV-2, beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (als Privatperson) eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Im Gespräch mit dem Regionalsender Hauptstadt TV begründet er seine Schritte – und gibt dabei einen kurzen staatsrechtlichen Grundkurs.

Schleiter, der das „Netzwerk kritische Richter und Staatsanwälte“ mitgegründet hat, sieht die im Grundgesetz garantierten Grundrechte umfassend verletzt, die allen Bürgern als Freiheitsrechte, als Abwehrrechte gegen den Staat und als ein Teilhaberecht am Gemeinwesen zustünden. Wenn der Staat einschränkend eingreift, müsse das formal und materiell stimmig sein. Und das sei nicht der Fall. „Formal“ ist zum Beispiel der Parlamentsvorbehalt, dieses Defizit hat auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, angemahnt. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat im Gutachten vom 2. April 2020 darauf aufmerksam gemacht. In Schleiters Worten: „Das, was ihr hier tut, dürft ihr eigentlich nicht.“

Schleiter bezeichnet die gegenwärtige Krise daher als „die größte Krise, die wir je hatten, auch für das Grundgesetz und die rechtsstaatliche Ordnung“. Der Knackpunkt ist die Frage der Haftung. Während Beamte durch das Staatshaftungsrecht zur Verantwortung gezogen werden können, haften Politiker nicht. Sie können nur durch eine Nicht-Wiederwahl abgestraft werden. Ärzte oder Polizisten, die eine ungültige Rechtsverordnung durchsetzen, sind aber haftbar – eigentlich: „Die Maßstäbe, die Instrumente, die wir bislang haben, wenn wir die anwenden würden, sehe ich durchaus die Möglichkeit, dass diverse Strafverfahren eingeleitet werden könnten.“ Dann könnten zivilrechtliche Haftungsansprüche greifen. Aber dieses althergebrachte Instrumentarium würde wohl nicht zur Anwendung kommen, weil sich in der Coronakrise „ein Maßstab verschiebt“, wie er das nennt.

In seiner Verfassungsbeschwerde bezieht sich Schleiter vor allem auf den PCR-Test als einzige Grundlage der Grundrechtseingriffe. Dieser Test stellte Teile eines Virus fest, der tot oder lebend im Körper eines Menschen vorhanden ist. Eine mögliche Infektion kann auch zu früheren Zeiten bereits stattgefunden haben, da die entnommene Probe sehr sensitiv ist. Schleiter hält ihn darum für nicht geeignet zur Begründung der Grundrechtseingriffe. Schließlich habe auch die Weltgesundheitsorganisation WHO am 20. Januar 2021 klargestellt, dass der positive PCR-Test aufgrund diverser Unwägbarkeiten nur ein Indikator sein kann. Die falsche Positivrate sei höher als oft angenommen.

Der Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick