Foto: Der Autor im Gespräch mit Dr. Hans-Georg Maaßen

von Steffen Meltzer

Kein Begriff wird in Bezug auf die deutsche Polizei missbräuchlicher verwendet, als die Vokabel „Deeskalation“. Der Betrug beginnt damit, dass man der Öffentlichkeit einredet, diese Bezeichnung wäre aus dem polizeilichen Fachterminus. Es soll dabei durchaus nicht abgestritten werden, dass dieser Ausdruck  auch in den polizeilichen Sprachgebrauch Einzug gehalten hat. Die Polizei ist ein Abbild der Gesellschaft und damit auch deren Sprache. Die Sprache spiegelt dabei die Gedanken der polizeilichen Einsatzführung, diese wiederum bestimmen maßgeblich das Einsatzszenario der eigenen Kräfte und des polizeilichen Gegenübers vor Ort.

So auch bei einem polizeilichen Einsatz in Leipzig. In der Max-Liebermann-Straße hatten 30 politische „Aktivisten“ die Ausfahrt der Flüchtlingsunterkunft blockiert. Das Ziel war, eine polizeiliche Abschiebung zu verhindern. Die eingesetzten Polizeikräfte hatten den Gesuchten vor Ort nicht angetroffen. Das jedoch wollten die selbsternannten Kontrolleure in einem Akt der Selbstjustiz nicht glauben.

Schließlich wurde mit dem Polizeiführer auf Augenhöhe „verhandelt“. Der bot den Flüchtlingsunterstützern an, die Polizeifahrzeuge zu überprüfen, was prompt geschah. Somit mussten die Polizisten eine Kontrolle über sich ergehen lassen, indem bei jedem Fahrzeug die Schiebetür des Polizeiautos geöffnet wurde, um nachzuschauen, ob sich der polizeilich Begehrte vielleicht nicht doch im Fahrzeuginneren befindet. Erst als diese sich gründlich davon überzeugt hatten, dass das nicht der Fall war, hatte sich der Einsatz für beide Seiten erledigt. Hat jetzt die Polizei Glück gehabt?

Sieg auf der ganzen Linie!

„Deeskalation“ ist nach ihrem Ursprung  vielmehr ein Kampfbegriff aus der Politik. Besonders beliebt ist diese Stigmatisierung bei Politikern, um den politischen Gegner in die Defensive zu drängen, damit die eigenen Interessen rücksichts- und kompromisslos durchgesetzt werden. Dabei ist selbst die Entmenschlichung ein probates Mittel, wenn der Andere es wagen sollte, seine Interessen nachdrücklich durchsetzen zu wollen. Dann prangert man stets und ständig „nichtlegitimierte Gewalt“ öffentlichkeitswirksam an, stattdessen doch eine „Deeskalation“ angeblich viel besser gewesen wäre. Auch die Polizei kann ein Lied davon singen. Die Mahnung nach der „Deeskalation“ dient dann ausschließlich dazu, die Polizei oder andere manipulativ zu zwingen, den eigenen gesetzeswidrigen Forderungen stattzugeben.

Leider springt die Polizei mitunter ebenso auf dieses hingehaltene Stöckchen, indem man die eigenen defensiven oder offensiven Handlungsalternativen mit „Deeskalation“ begründet. Anderen das Feld und damit die Initiative zu überlassen, widerspricht polizeilichem Handeln. Selbst bei einer Überlegenheit des Gegenübers, kann der taktische Rückzug nur eine zeitlich bedingte Defensivhandlung und Zwischenlösung sein, um eigene Kräfte zu sammeln, damit das Einsatzziel doch noch offensiv durchgesetzt wird. Das Gewaltmonopol hat ausschließlich der Staat und sonst niemand. Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein, dazu kann auch das mildeste Mittel dienen, das jedoch nicht „deeskalierend“ sein muss.

Wenn Demonstranten anfangen, wie in Leipzig geschehen, physisch (Öffnen der Fahrertür) und psychisch (visuelle Kontrolle des Innenraums) offensiv gegen die Polizei vorzugehen und diese nur noch reagiert anstatt agiert, um angeblich zu „deeskalieren“, sind Einsatzgrundsätze verletzt. Dementsprechend gibt es bei der linken Abgeordneten Juliane Nagel und anderen eine euphorische Jubelstimmung. Sieg auf der ganzen Linie!

Polizeiliches Kauderwelsch aus der Pressestelle

Desto bedauerlicher ist, dass sich auch der Pressesprecher der Leipziger Polizei diesen politischen Kampfbegriff aneignet, um die „Richtigkeit“ der „kontrollierenden Bürger“ zu unterstreichen:

„Wir sind nicht dazu verpflichtet, wollen uns aber als transparente Polizei zeigen, mit dem Ziel deeskalierend zu wirken – was gelungen ist.“ Jedoch wolle man „je nach Lage“ die „rechtsstaatlichen Mittel“ durchsetzen.  

Die Polizei zwischen allen Fronten

Polizeiliches Kauderwelsch aus der Pressestelle. Ich übersetze einmal: Man muss(te) eigentlich nicht … bemüht sich aber im Sinne der „Linksaktivisten“, wenn es dadurch vielleicht doch „deeskalierend“ sein müsste, unterwirft man sich auch mal. Nur der Rechtsstaat verpflichtet uns nun mal, auch etwas durchzusetzen aber nur „je nach Lage“, wir bitten um Verständnis,  das tut uns leid, bitte tut uns nichts.

Beim nächsten derartigen Einsatz wird man in Leipzig staunen, wie eskalierend sich diese „Strategie der Deeskalation“ auswirken wird. Wehe, die Polizei weigert sich dann, keine Kontrollen durch die selbsternannte Bürgerwehr über sich ergehen zu lassen. Das wird bestimmt einen Heidenspektakel geben.  Bitte halten Sie eine Armlänge Abstand!

Mit dieser Politik der „Deeskalation“, erleidet auch der rot-rot-grüne Senat in Berlin regelmäßig Schiffbruch. Dort ist politische Deeskalation die blanke Eskalation für Polizeibeamte. Nicht nur im Görlitzer Park, bei dem sich die Polizei und kritisierende Anwohner ständig vorwerfen lassen müssen, sie seien „rassistisch oder in der Rigaer Straße, bei dem regelmäßig Steine und Flaschen auf Polizeibeamte und deren Fahrzeuge geworfen werden. Nicht die Politik badet ihre ideologischen Kampfbegriffe aus, sondern mit dem Einsatz von Leib und Leben unsere Polizeibeamten.

Die sprachliche Verniedlichung 

Jedes unnötige Zurückweichen des Staates stärkt solche extremistischen und anderweitigen kriminelle Randgruppen, die immer mehr Einfluss in unserer Gesellschaft nehmen.

Kommt jetzt nach dem Rückzug beziehungsweise der „Verschlankung“ des Staates (Stellenabbau in Polizei und Justiz) die große „Deeskalationswelle“ für linke „Aktivisten“? In Potsdam ist sogar die örtliche Polizei einem Toleranzbündnis beigetreten, das einseitig gegen „rechts“ arbeitet. In Berlin soll es eine Datenbank für „rechtslastige Einstellungen“ von Polizeibeamten geben. Eskalation auch für Andersdenkende, Streicheleinheiten für Linke wie in Leipzig und Berlin.

Die sprachliche Verniedlichung begegnet uns in den Medien schon lange. Sie trägt zur manipulativen „Deeskalation“ in der Bewertung von Straftaten bei. Wird diese Strategie als nächstes bei Clans, Gefährdern, Rockern, Hooligans, Schwerkriminellen  oder Rechtsextremisten angewandt oder bleibt sie auf die privilegierten Linken begrenzt?