Autor: Steffen Meltzer

Am 01.12.2020 um 13:47 Uhr ging bei der örtlichen Polizei der erste Notruf ein. Nach vier Minuten wurde der Täter Abseits der Tatorte durch Polizeibeamte festgestellt und festgenommen. Die Person leistete dabei Widerstand. 

Der Tatverdächtige hatte bis dahin in der Innenstadt von Trier eine Schneise der Zerstörung hinterlassen. Zu beklagen sind fünf Tote, darunter eine Frau (25), ein Mann (45), ein Baby (9 Monate) und eine weitere Frau (73). Alle stammen ebenso wie der Fahrer des PKW Land-Rover aus Trier bzw. dessen Umgebung. Durch den Tatverdächtigen (TV) wurden vorsätzlich auf beiden Seiten des Weges Menschen angesteuert, die laut Medienbericht der Bild teilweise durch die Luft geflogen sein sollen. 

Weitere Angaben zum TV: Es soll sich um einen 51-jähriger Deutschen (1969 in Trier geboren) aus dem Landkreis Trier-Saarburg handeln, der in Trier aufgewachsen ist und dort gelebt haben soll. Medienberichte sprechen von einer sehr strengen Erziehung des Vaters, bei der Gewalt eine sehr große Rolle gespielt habe. Der TV war nicht vorbestraft, es würde sich jedoch um einen „schwierigen Charakter“ handeln. 

Der TV soll vor wenigen Tagen sein Elternhaus verkauft haben (Quelle „Welt-TV“) und verbrachte die letzten Tage vor der Tat ohne festen Wohnsitz. Seitdem lebte der Mann in dem Tatfahrzeug, das nicht auf seinen Namen zugelassen ist. Das Fahrzeug wurde ihm von einem Bekannten überlassen, der mit der Tat gemäß Polizeiangaben ausdrücklich nicht im Zusammenhang stehen soll.  

Nach Aussagen des leitenden Oberstaatsanwalts Peter Fritzen (Herr des Verfahrens) werden gegenwärtig Ermittlungen wegen Mordverdacht vorgenommen. Man geht also von Heimtücke und niedrigen Beweggründen aus. Der Jurist führt auf der Pressekonferenz weiter aus, dass das Motiv für die Tat gegenwärtig (Stand 01.12.2020, 19:20 Uhr) unklar ist. Es sei bisher kein politisches, terroristisches oder religiöses Motiv feststellbar. Der TV wird zurzeit vernommen, er macht dabei Angaben und Aussagen. 

Gegenwärtige Bewertung:

Wenige Zeit nach der Tat berichteten Medien, dass der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe von einem „Amoklauf“ ausgehe. Meine gegenwärtige Einschätzung: Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine klassische Amoktat. Bei dieser Vorgehensweise werden durch den Täter ganz bestimmte Personen ausgesucht und getötet. Zum Beispiel in München Migranten oder typischerweise an Schulen Lehrer, der Direktor und/oder Mitschüler. Typisch für Amoktäter ist, dass sie sich durch die Polizei provozierend-freiwillig erschießen (Suicide-by-Cop) lassen oder sich nach Beendigung des Massakers selbst töten. Dieser TV ist nach den mir bisher bekannten Informationen wahllos auf Menschen zugefahren und hat bei seiner Festnahme Widerstand geleistet. An dieser Feststellung ändert auch der festgestellte Atemalkoholgehalt von 1,4 Promille nichts. 

Der Oberstaatsanwalt sagte dann bei der Pressekonferenz auch, dass psychiatrische Anhaltspunkte bzw. Erkrankungen bei der Tat eine Rolle gespielt haben könnten. Ein Arzt des zuständigen Gesundheitsamtes hat den TV bereits diesbezüglich kurz bewerten können. Zur generellen Frage der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt wird ein umfangreiches psychiatrisches Gutachten angefertigt werden.

Diese Bewertungen ändern nichts an der furchtbaren Tat, sind jedoch zur Aufhellung unerlässlich. Eine psychiatrische Erkrankung scheint mir persönlich sehr glaubhaft zu sein. 

Es ist in diesem Zusammenhang dringend erforderlich, die Lage nicht nur zu beurteilen. Welche inneren („persönlichen“) und äußeren („gesellschaftlichen“) Umstände führen dazu, dass Menschen solche Verbrechen begehen? Warum sind wir offensichtlich nicht ausreichend befähigt, erhebliche Verhaltensveränderungen und Warnsignale bei unseren Mitmenschen wahrzunehmen? Und wenn doch, warum tun wir nichts bzw. zu wenig? Welchen Anteil hat die sich immer weiter vertiefende Spaltung, Hysterie und Eskalationsspirale in unserem Gemeinwesen? Natürlich ist „Schuld“ immer individuell und persönlich, insofern eine Schuldfähigkeit vorliegt. Wir sollten jedoch nicht schon wieder den Fehler begehen, diesen Fall als „Einzelfall“ und Tat eines „Irren“ zu den Akten zu legen. Kein Mensch wird als Verbrecher oder psychisch Erkrankter geboren. 

Bei der Trauer und Betroffenheit darf man nicht, wie so oft, stehenbleiben.

Der Artikel erschien zuerst auf Tichys Einblick