Autor: Steffen Meltzer

Nach dem Dienstende einfach mal mit anderen Polizeibeamten ein Bier trinken gehen? Im Grunde genommen kein Problem, wenn sich die Zeiten nicht geändert hätten. Nicht etwa zum Negativen, nein, denn Deutschland ist so sicher wie noch nie, die Kriminalität sinkt in den Statistiken unaufhörlich in einem Land, in dem wir gut und gerne leben. So die offizielle Rhetorik.

Die Praxis sieht jedoch völlig anders aus. „Einzelfälle durch psychisch Gestörte“ häufen sich auffallend, Messerstechereien treten in zunehmendem Maße auf. Dass Polizeibeamte, Feuerwehrangehörige, Bahnmitarbeiter oder medizinisches Personal angegriffen werden, ist dagegen eine Tendenz. Selbst eine Strafverschärfung konnte dem nicht abhelfen. Papier ist bekanntlich geduldig.

Aktuellster Fall aus Hamm

So will ein „erlebnisorientierter junger Mann“ einen Polizisten erkannt haben, als dieser mit drei Kollegen privat unterwegs war. Der 19-Jährige meinte, durch einen ehemaligen Polizeieinsatz mit dem Beamten noch eine „Privatrechnung“ offen zu haben. Der Beamte würde also in dessen Schuld stehen und müsse Buße ableisten. Offensichtlich wollte er daraufhin den Ordnungshüter zur Rede stellen. Nachdem der erste Anmachversuch gescheitert war, kam der rachsüchtige Furor mit 10 bis 15 anderen Unterstützern bereits nach wenigen Minuten zurück und überfielen die vier Männer brutal. Zwei Beamte erlitten Prellungen, Schürf- und Platzwunden. Dabei wurde ein Opfer selbst am Boden liegend mit Tritten gegen den Kopf traktiert. Das kann man aus meiner Sicht nur als Tötungsversuch bewerten. „Ein (weiterer) Polizist erlitt oberflächliche Schnittverletzungen am Bauch. Laut Staatsanwaltschaft sei ein Messer im Spiel gewesen, allerdings habe es keine gezielten Angriffe damit gegeben.“ Die Ermittlungen stehen demnach erst am Anfang, aber es steht jetzt schon fest, dass es keinen Messerangriff gab. Ist er ins Messer „gefallen“?  Solche Formulierungen öffnen Interpretationsspielräume, die die Ermittlungsbehörden anschließend in den sozialen Netzwerken stark kritisieren. Selbst verursacht.

Alle vier Opfer mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus, einer verblieb zur Behandlung stationär. Vorerst ermittelte eine Mordkommission.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zur BILD: „Wir kennen noch nicht alle Details, müssen das Ergebnis der Ermittlungen abwarten. Aber so, wie sich der Fall momentan darstellt, ist diese Attacke auf unsere vier Polizeibeamten auf das Schärfste zu verurteilen. Es ist völlig indiskutabel, dass Polizisten, gerade weil sie Polizisten sind, in ihrer Freizeit von einem wütenden Mob attackiert werden. Ich wünsche den vier Beamten von Herzen gute Besserung.“

Schauen wir uns näher an, wie die „scharfe Verurteilung“ in der Praxis aussieht: In der Nacht zum Samstag wurden zwei 19-jährige festgenommen. „Bei den ersten Zeugenvernehmungen erhärtete sich der Tatverdacht gegen die beiden 19-Jährigen nicht, so dass sie wieder auf freien Fuß gesetzt wurden.“ So der zuständige Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Dortmund, Schulte Göbel, auf Redaktionsanfrage der „WAZ. Auch ermittelt ab sofort keine Mordkommission mehr, da es für eine Tötungsabsicht keine Anhaltspunkte gebe. Übrig bleibt der Straftatbestand der Körperverletzung, so der Herr des Verfahrens.

Nachhaltig scharfe oder gar schmerzhafte Folgen gibt es zum gegenwärtigen Stand ausschließlich nur für die verletzten Polizeibeamten, aber nicht für den Straßenmob. Der Überfall erinnert zudem an Wegelagerer des Mittelalters, als das Gemeinwesen noch nicht ausreichend organisiert war, um seine Bürger zu schützen. Vorwärts, es geht zurück.

Natürlich darf die Politik nicht unmittelbar in die Justiz eingreifen, wie es zum Beispiel im rot-roten Brandenburg durch den SPD-Ministerpräsidenten Woidke der Fall ist. Dort hat man jahrelang „erfolgreich“ Polizei und Justiz geschrumpft, um sich dann über die selbst herbeigeführten Zustände zu „beschweren“. Die Gewaltenteilung ist noch nicht bei jedem Politiker in Regierungsverantwortung angekommen. Sie ist eine der Grundlagen unserer Demokratie.

Justiz muss zeitnah urteilen

Nach der „scharfen politischen Verurteilung“ muss die juristische Verurteilung zeitnah erfolgen. Der Staat hat auch die Aufgabe, neben seinen Bürgern seine Polizeibeamten zu schützen. Neben medienwirksamen schönen Worten sind vor allen Taten gefragt, das bedeutet nicht nur schnelle und erfolgreiche Ermittlungen mit hohem Personaleinsatz, sondern bei einem Schuldnachweis ein zeitnahes Gerichtsurteil, das eine abschreckende Wirkung auf Nachahmungstäter hinterlässt. Eine gutmenschliche Gardinenpredigt ist hier unzureichend, es sei denn, sie findet hinter schwedischen Vorhängen statt.

Gerade „junge Männer“ haben gute Chancen davon zu kommen, erst recht, wenn sie einen Migrationshintergrund haben. Um welche Täter es sich konkret handelt, wurde bisher durch die Staatsanwaltschaft nicht kommuniziert. Mit einer klaren Nennung der Täter könnte man Mutmaßungen vermeiden, dennoch ist es jedoch scheinbar offensichtlich, dass die Bürger derzeit dazu erzogen werden sollen, nur Menschen und keine Nationalitäten, kulturelle Hintergründe, Religionen usw. als Ursache bei solchen Ereignissen wahrzunehmen. Dies kommt einer Entmündigung der Bürger gleich, denn jeder hat das Recht, sich eine eigene Meinung zu bilden, Hintergründe zu erfragen und Zusammenhänge zu erkennen. Sobald dieses unterbleibt, ist davon auszugehen, dass den Bürgern Sand in die Augen gestreut wird. Die Ermittlungsbehörden sind auch nicht an die „Empfehlungen“ des Presserates gebunden.

Wie wir auch an diesem Fall sehen können, ist es den Opfern egal, ob die statistisch erfasste Kriminalitätsrate ansteigt oder fällt. Dass die Kriminalität angeblich sinkt, halte ich für ein politisch gewolltes „Missverständnis“. Wir können uns jeden Tag selbst von der zunehmenden Verrohung in der Gesellschaft überzeugen. Wenn zum Beispiel die Staatsanwaltschaften aufgrund der Arbeitsüberlastungen einen immer höheren Anteil an den Strafverfahren ohne Sanktionierungen einstellen, wird sich das Opfer ein zweites Mal besser überlegen, ob es noch Sinn macht, sich in die Mühlen der Polizei und Justiz zu begeben: Etwa jeden vierten Fall stellen die Staatsanwaltschaften heute ohne Auflagen nach Opportunität ein.“ Die heruntergeschraubte Polizei sorgt ebenfalls dafür, dass es weniger Strafanzeigen und damit „weniger Kriminalität“ gibt. Die Formel ist einfach: weniger Polizei = weniger Bürgerkontakte = weniger Strafanzeigen durch Opfer gegen Täter. Wenn das Vertrauen in den Staat schwindet, schwinden auch die Anzahl der Fallzahlen in den polizeilichen Kriminalstatistiken. Auch vermutet man politischen Einfluss der Politik auf die Statistikführung des BKA, denn neuerdings werden keine Zahlen bei den Gruppenvergewaltigungen herausgegeben. Es ist bekannt, dass bei diesem Verbrechenstatbestand der Ausländeranteil exorbitant hoch ist.

Abhilfe über die tatsächliche Kriminalitätsbelastung könnte eine Dunkelfeldstudie für Deutschland schaffen, die man allerdings ständig wiederholen muss, um realitätsnahe Tendenzen zu erkennen. Die daraus erfolgten Analysen und Schlussfolgerungen, könnten Bürgern und Polizeibeamten gleichermaßen behilflich sein. Das könnte man natürlich tun, allein fehlt dazu der politische Wille.

Der Artikel erschien auch auf „Tichys Einblick“ und dem Blog von Vera Lengsfeld